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Hongkonger Demokratiebewegung : 47 Politiker und Aktivisten vor Gericht

Die Aktivisten Benny Tai und Mike Lam King-Nam am 1. März 2021 in einem Polizeiwagen in Hongkong Bild: Reuters

Im Januar 2021 markierte eine Festnahmewelle das Ende der Hongkonger Demokratiebewegung. Jetzt stehen 47 Politiker und Aktivisten vor Gericht. Ihnen droht lebenslange Haft.

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          In Hongkong hat am Montag der bisher größte Strafprozess auf Basis des „nationalen Sicherheitsgesetzes“ be­gonnen. Insgesamt sind 47 frühere Politiker und Aktivisten der „Verschwörung zur Subversion“ angeklagt. Es sind die führenden Köpfe der Hongkonger Demokra­tie­bewe­gung, die 2020 mithilfe des „na­tio­nalen Sicherheitsgesetzes“ zer­schla­gen wurde. Ihnen drohen Haftstrafen zwischen drei Jahren und lebenslänglich.

          Friederike Böge
          Politische Korrespondentin für China, Nordkorea und die Mongolei.

          Was ihnen vorgeworfen wird, lässt sich sinngemäß so zusammenfassen: Umsturzversuch mithilfe des Wählers. Die Angeklagten hatten vor der Parlamentswahl, die für 2020 ge­plant war, eine Vorwahl abgehalten. Das sollte die Chancen des prodemokratischen Lagers erhöhen, eine Mehrheit der Sitze im Parlament zu erlangen. An der Vorwahl beteiligten sich rund 600.000 Bürger Hongkongs. Die erhoffte Parlamentsmehrheit wollten die Demokraten nutzen, um den Haushalt zu blockieren. So wollten sie die Regierung un­ter Druck setzen, den Forderungen der Protestbewegung nachzukommen.

          Im Januar 2021 wurden auf ei­nen Schlag mehr als 50 der an der Vorwahl beteiligte Kandidaten und Organisatoren festgenommen. Die Massenkampagne war ein unmissverständliches Signal, dass die chinesische Führung entschlossen war, mit aller Härte die Opposition in Hongkong auszuschalten. Der heutige Hongkonger Regierungschef John Lee war damals Sicherheitschef. Er warf den Festgenommenen einen „bö­sen Plan“ vor, „die Hongkonger Regierung lahmzulegen“.

          „Destruktive Waffe der Verfassung“

          Am Montag begann der Prozess zu­nächst gegen jene 16 der 47 Beteiligten, die auf unschuldig plädiert haben. Eine Mehrheit der Angeklagten sitzt seit zwei Jahren in Untersuchungshaft oder wurde in früheren Prozessen bereits zu Haftstrafen verurteilt. Als Prozessdauer sind knapp drei Monate angesetzt. Die Staatsanwaltschaft präsentierte in der Verhandlung ihre Version der Ereignisse.

          Der Vertreter der Anklage, Anthony Chau, zeigte als Beweismittel unter anderem ein Video einer Pressekonferenz der Organisatoren der Vorwahl von 2020. Darin be­zeichnet der frühere Juraprofessor Benny Tai die Erlangung der Par­lamentsmehrheit als „destruktive Waffe der Verfassung“. Auch sprach er davon, dass diese genutzt werden solle, um gegen die Verabschiedung des Haushalts zu stimmen. Nach An­gaben der Anklage verpflichteten sich 33 Kandidaten der Vorwahl in einer Onlineerklärung diesem Ziel.

          Benny Tai gehört zu den führenden Stimmen der Demokratie­be­wegung. Er hatte 2013 die Occupy-Central-Bewegung gegründet, die sich für ein demokratischeres Wahlrecht in Hongkong einsetzen sollte. Ihre Aktionen legten 2014 die Grundlage für die Regenschirmproteste. Tai ist nun als Initiator des „bö­sen Plans“ angeklagt. Er hat sich für schuldig bekannt, ebenso wie der Aktivist Joshua Wong.

          Dass die Angeklagten überhaupt die Hoffnung hatten, bei der Parlamentswahl eine Mehrheit erringen zu können, zeigt, wie rasant sich Hongkong verändert hat. Nach den Massenprotesten von 2019 und den Bezirkswahlen, bei denen das Demokratielager in 17 von 18 Bezirken ge­wann, schien vieles möglich. Doch die Parlamentswahl wurde dann, an­geblich wegen der Pandemie, verschoben. Bevor sie stattfand, wurde das politische System Hongkongs so verändert, dass nur noch „Patrioten“ als Kandidaten antreten durften.

          Wie vergiftet das politische Klima in Hongkong ist, zeigte sich am Montag einmal mehr. Aktivisten warfen manchen der Prozessbesucher vor, dass sie für ihre Teilnahme bezahlt worden seien, um den Zugang für Un­terstützer der Angeklagten zu be­grenzen.

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