Geheimdokumente aus Mazedonien : Die Angst vor Russland im Nacken
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Mazedoniens Ministerpräsident Zoran Zaev auf einer Kundgebung Tage vor dem Referendum Bild: AFP
Streng vertrauliche Stenogramme dokumentieren, wie Griechenland und Mazedonien über Monate versuchten, den Namensstreit zwischen ihren Staaten zu lösen. Auch die Angst vor russischen Störversuchen spielte dabei eine Rolle. Ein Protokoll.
Der 30. September 2018 ist ein historischer Tag in der Geschichte Mazedoniens. An diesem Sonntag stimmen die Mazedonier darüber ab, ob sie einer Lösung des seit Jahrzehnten schwelenden Namensstreits mit Griechenland zustimmen. Gewinnt die mazedonische Regierung das Referendum, werden die Türen für einen Nato-Beitritt des Balkanstaates geöffnet. Vertrauliche Protokolle der mazedonischen Staatsführung, die FAZ.NET vorliegen, dokumentieren, wie schwierig schon der bisherige Weg zu einer Lösung war.
Am 31. Januar 2018 traf sich die politische Führung Mazedoniens zu einer wichtigen Sitzung. Laut dem als „streng vertraulich“ eingestuften 19-seitigen Protokoll des Treffens nahmen alle maßgeblichen Politiker des Balkanstaates an dem Gespräch teil: Mazedoniens Staatspräsident Gjorge Ivanov, Regierungschef Zoran Zaev, Außenminister Nikola Dimitrov und Verteidigungsministerin Radmila Sekerinska ebenso wie Oppositionsführer Hristijan Mickovski und der ehemalige Freischärlerführer Ali Ahmeti. Ahmeti hatte das Land mit seiner „Nationalen Befreiungsarmee“ (UCK) 2001 an den Rand eines Bürgerkrieges gebracht, der nur durch eine Intervention Washingtons, der Nato und der EU abgewendet werden konnte. Seither ist Ahmeti der wichtigste Führer der Albaner Mazedoniens, die ein Viertel der Landesbevölkerung stellen.
„Es ist wichtig, wie wir unsere Karten spielen“
Der Zweck der vom Außenministerium initiierten Sitzung im Januar: Die Beteiligten sollten über den Stand der Verhandlungen mit Griechenland zum „Namensstreit“ informiert werden. Dieser Streit zieht sich seit mehr als einem Vierteljahrhundert hin. Griechenland blockiert Mazedoniens Aufnahme in die Nato, sodass deren Südflanke bis heute geographisch nicht geschlossen werden konnte. Der Grund: Athen behauptet, der Begriff „Mazedonien“ beziehe sich auf die griechische Antike und dürfe deshalb von keinem anderen Staat verwendet werden. Außerdem enthalte der Staatsname „Mazedonien“ die Gefahr von territorialen Ansprüchen auf die gleichnamige Provinz Makedonien in Nordgriechenland, so die offizielle Position Athens. Russland, das ein weiteres Vordringen der Nato auf dem Balkan unbedingt verhindern möchte, nachdem schon Albanien (2009) und Montenegro (2017) gegen Moskauer Widerstand Mitglied des westlichen Bündnisses geworden sind, bestärkt Griechenland in dieser Haltung.
„Die Republik Mazedonien braucht eine Lösung, aber nicht um jeden Preis. Die Regierung und die Opposition sind sich einig, dass für jedwede Lösung ein Referendum notwendig ist“, eröffnet Regierungschef Zaev die Sitzung am 31. Januar, bevor Dimitrov das Wort übernimmt. Die Gelegenheit sei günstig, sagt der Außenminister: „Heute ist der Wille groß, das Tor zu öffnen. Es herrscht ein Gefühl der gemeinsamen Verantwortung. (…) Die EU-Bürokraten wollen einen Erfolg.“ Dimitrow warnt die Anwesenden, das kleine Mazedonien könne es sich nicht leisten, die Sympathien des Westens zu verlieren und müsse deshalb sehr auf seine Außendarstellung bedacht sein: „Bei den Verhandlungen ist es wichtig, wie wir dastehen werden, auch wenn es keine Lösung gibt. Es ist wichtig, wie wir unsere Karten spielen. Wir wollen in den Augen dritter Staaten nicht unkonstruktiv sein.“ Deshalb mahnt er zu Einigkeit: „Wenn wir uns streiten, haben es die Griechen umso leichter. Es ist leicht für sie, uns zu blockieren, wenn wir ihnen Argumente liefern.“