Griechenland-Krise : Fragile Staaten gefährden die Weltordnung
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Schöne Aussichten: Blick auf Athen und die Akropolis Bild: AFP
Zur Überwindung schwacher staatlicher Strukturen ist der politische Wille zur Veränderung wichtiger als Geld. Das zeigt das Beispiel Griechenland. Ein Gastbeitrag.
Eine verbindliche Definition des „fragilen Staates“ gibt es nicht. Als typische Eigenschaften gelten ein fehlendes oder nicht demokratisch kontrolliertes „staatliches Gewaltmonopol“ sowie das Unvermögen, den staatlichen Wohlfahrtsaufgaben nachzukommen. Die Unausgewogenheit von staatlichen Einnahmen und Ausgaben sind meist auf eine nicht wettbewerbsfähige Wirtschaft, eine korrumpierte Verwaltung und ein nicht konsequentes Fiskalsystem zurückzuführen. Dies verleitet zu nicht finanzierbaren Wohltaten gegenüber der Bevölkerung und führt direkt in die Abhängigkeit von Staatsschulden. Hinzu kommen klientilistische Verteilungssysteme, geprägt durch Vetternwirtschaft, die eine faire Verteilung des Staatshaushalts auf die große Mehrheit verhindern. Die Rechtssicherheit wird im Justizapparat vielfach durch zeitliche Verschleppung der Verfahren untergraben.
„Der griechische Staat ist arm, das ist nicht seine Schuld, aber schlimmer als seine Armut ist die schlechte Finanzwirtschaft, die im Land herrscht.“ (Der Text ist 118 Jahre alt, zitiert aus dem Flensburger Tageblatt vom 26.02. 2015, die Quelle: Der „Schlei-Bote“ vom 17. Mai 1897. Alle Zitate daraus sind kursiv.)
In politikwissenschaftlichen Seminaren wird häufig der Begriff „Lektion gelernt“ benutzt. Im Fall von Griechenland hat Europa entweder keine Lehren gezogen oder wenn doch, sie nicht umgesetzt. Der Lerneffekt, den die europäischen Rechtsstaaten hätten annehmen können, besteht vor allem in der Erkenntnis, dass der „menschliche Faktor“ und lange tradierte Verhaltensweisen in der politischen Betrachtungsweise eines Landes nicht ausgeblendet werden dürfen. Man erinnert sich an die Diskussion in der jungen Bundesrepublik über den „Nationalcharakter“. Wie konnte es dazu kommen, dass das „Land der Dichter und Denker“ in eine zwölf Jahre währende grausame nationalsozialistische Diktatur überging?
70 Jahre lang hat sich die Bundesrepublik Deutschland nach dem Ende des nationalsozialistischen Regimes in einer von CDU, SPD, FDP und Grünen bestimmten Parteienlandschaft zu einer demokratischen Gesellschaft weiterentwickelt. 2013 wurde Deutschland von der britischen Nicht-Regierungsorganisation Soft Power Survey zur weltweiten „Soft-Power Nr.1“ gewählt.
In einer beispiellosen Kampagne wird Deutschland nun in Griechenland, aber auch im Internet wegen seiner relativen EU-Vertragstreue als Hassobjekt an den Pranger gestellt. Der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble wird in SS-Uniform oder mit Hitlerbärtchen präsentiert – abgesehen von der Geschmacklosigkeit ist dies kein sinnvoller Beitrag zur Förderung einer vertrauensvollen Zusammenarbeit. Wird man in überschaubarer Zukunft überhaupt lernen wollen und können?
„Millionen und aber Millionen, die zur Verwirklichung von großen, dem ganzen Land nützenden Unternehmungen verwendet werden sollten, sind in ganz andere Taschen geflossen als in die von Ingenieuren und Arbeitern.“
Man sollte sich nichts vormachen: „German-Bashing“, also Herumhacken auf deutschen Politikern und den damit verbundenen „deutschen Tugenden“ hat kräftig an Konjunktur gewonnen. Ein Ende dieser Entwicklung ist nicht abzusehen. In der aktuellen Situation bietet sich ein mächtiger Partner an, von dem man zu diesem Aspekt lernen kann – die Vereinigten Staaten. Die internationalen Zustimmungsraten zu Amerika haben in den vergangenen Jahrzehnten dramatische Schwankungen gezeigt. Hat dies den Vereinigten Staaten wirklich geschadet und ihre Rolle als (noch immer) reichste und mächtigste Demokratie beschädigt oder beendet?
Natürlich ist Deutschlands Ausgangslage historisch und geopolitisch völlig andersartig gelagert. Die deutsche Lebenssituation als einflussreiche europäische Mittelmacht sollte jedoch mit souveräner Fassung und angemessener Selbstachtung wahrgenommen werden.