Gasstreit im Mittelmeer : Alle schauen auf Zypern
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Zyprischer Präsident Nikos Anastasiadis (r.) mit EU-Ratspräsident Charles Michel Bild: EPA
Die EU-Staaten suchen bei ihrem Sonderrat in Brüssel eine Haltung zur Türkei. Emmanuel Macron und Angela Merkel setzten vor dem Gipfel unterschiedliche Akzente.
Als die Staats- und Regierungschefs am Donnerstag zu ihrem Sonderrat in Brüssel eintrafen, hatten sie ein vordringliches Ziel: endlich den Weg frei zu machen für Sanktionen gegen Belarus. Etwa vierzig Vertreter des Regimes sollen mit Reise- und Kontosperren belegt werden, weil sie für die Fälschung der Präsidentenwahl Anfang August und die exzessive Gewalt gegen Demonstranten verantwortlich gemacht werden. Alles ist seit zehn Tagen ausgearbeitet. Es gibt zu jeder Person ein „Evidence Pack“ mit Beweisen und einen Beschlussentwurf, um die Sanktionen einzusetzen. Eines aber gab es bis Donnerstag nicht: die notwendige Einstimmigkeit. Zypern hatte sich wochenlang quergestellt – nicht weil es Belarus verschonen wollte, sondern weil es mit seinem Veto Sanktionen gegen die Türkei erzwingen wollte.
Da geht es um die Gas- und Ölbohrungen im östlichen Mittelmeer. Zumindest die Lage zwischen Ankara und Athen entspannte sich zuletzt. Pünktlich zum Gipfel wurde bekannt, dass sich Griechenland und die Türkei unter dem Dach der Nato – der beide Staaten angehören – angenähert haben. Nach Angaben der Nato haben sie sich auf einen Mechanismus zur Vermeidung militärischer Zwischenfälle im östlichen Mittelmeer geeinigt. Unter anderem solle eine neue „Hotline“ helfen, Konflikte auf See und in der Luft zu vermeiden. Beide Seiten vereinbarten „exploratorische Gespräche“, um ihren Konflikt um Seegrenzen und Energiereserven beizulegen. Die Türkei zog ihr Erkundungsschiff Oruc Reis aus den umstrittenen Gewässern zurück.
Für Nikosia änderte sich jedoch nichts. Die Türkei verlängerte vielmehr die Mission ihrer beiden Schiffe in der exklusiven Wirtschaftszone der Republik Zypern bis in die zweite Oktoberhälfte. Die Barbaros sucht seismisch den Meeresboden nach Energievorräten ab; die Yavuz nimmt Probebohrungen vor. Die Europäische Union hatte wegen dieser von ihr als „rechtswidrig“ eingestuften Aktivitäten Ende vergangenen Jahres ein Sanktionsregime beschlossen; im Februar wurden zwei Mitarbeiter des staatlichen türkischen Energiekonzerns TPAO auf die entsprechende Liste gesetzt.
Weil die Türkei darauf nicht reagierte, forderte Nikosia Sanktionen gegen fünf weitere Mitarbeiter des Konzerns und drei Tochterfirmen. Auch dafür liegen hinreichende Beweise vor. Doch blockierte die deutsche Ratspräsidentschaft im Verbund mit zahlreichen anderen Staaten diese Liste. Berlin fürchtete, dass schon die geringste Strafmaßnahme die Bemühungen um Vermittlung zwischen der Türkei und Griechenland zunichtemachen würde. Allerdings hatte Außenminister Heiko Maas nach Beratungen mit seinen EU-Amtskollegen Ende August in Berlin auch deutlich gemacht, dass die Geduld der Union nicht unendlich sei. Man werde bis zum Sondertreffen der Regierungschefs an Vorschlägen für restriktive Maßnahmen gegen die Türkei arbeiten, drohte der SPD-Politiker. Das Fenster für Diplomatie stand nun sogar noch eine Woche länger offen als damals geplant, weil Ratspräsident Charles Michel den Gipfel verschob. Trotzdem gab Ankara kein Zeichen des Einlenkens. Die beiden Forschungsschiffe waren am Donnerstag weiter vor Zypern im Einsatz.
In Berliner Regierungskreisen wurde die zyprische Haltung vor Beginn des Treffens als legitim anerkannt. „Es gibt kein Problem von Zypern“, hieß es, „vielmehr ist die Behandlung Zyperns ein Problem für die Europäische Union insgesamt.“ Wenn es gelinge, „eine Situation zu finden und Maßnahmen zu beschließen, die Zypern entgegenkommen und die es als ausreichend empfindet, dann wird sich Zypern umgekehrt auch in einer anderen Frage solidarisch zeigen“, nämlich Belarus. Was aber konnte das sein? Sanktionen gegen nur einen oder zwei Türken? Eine Erklärung der Regierungschefs, die konkrete Maßnahmen androht, wenn die Schiffe nicht bald zurückgezogen werden?