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Verurteilung eines Politikers : Wie das Vorgehen der indischen Regierung die Opposition eint

Ein Wandgemälde im indischen Chennai zeigt den kürzlich verurteilten Oppositionspolitiker Rahul Gandhi (links). Bild: EPA

Nach der Verurteilung von Oppositionspolitiker Gandhi rücken die einst verfeindeten Parteien Indiens zusammen. Sie fürchten weitere Repressionen durch die Regierung Modis.

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          Indiens Opposition ist seit vielen Jahren zersplittert. Doch die Verurteilung des Oppositionspolitikers Rahul Gandhi zu einer Haftstrafe und sein Ausschluss aus dem Parlament führen nun zu einer An­näherung unterschiedlicher politischer Kräfte. Mehrfach haben sich in den vergangenen Tagen Vertreter verschiedener Regionalparteien getroffen, um sich zu beraten.

          Till Fähnders
          Politischer Korrespondent für Südostasien.

          Bei einem Treffen, zu dem der Vorsitzende von Gandhis Kongresspartei, Mallikarjun Kharge, geladen hatte, waren die Anführer von 19 Parteien anwesend. Einige ihrer Vertreter beteiligten sich auch an Demonstrationen in Neu Delhi und anderen Städten. Die Teilnehmer trugen schwarze Hemden sowie Spruchbänder, in denen sie dazu aufriefen, Indiens Demokratie „zu retten“. Sie sehen in dem Vorgehen ge­gen Gandhi einen Versuch, Kritik an Ministerpräsident Narendra Modi zu verhindern.

          Rahul Gandhi war am Donnerstag vergangener Woche von einem Gericht zu zwei Jahren Haft verurteilt worden. Einen Tag später wurde er aus dem Parlament ausgeschlossen. Das Gericht hatte ihn der Diffamierung für schuldig befunden, nachdem er gesagt hatte, dass unter Menschen mit dem Nach­namen Modi viele „Diebe“ seien.

          Gandhi: Ausschluss aus Parlament „politisch motiviert“

          Dann hatte er Personen aufgezählt, die wegen krimineller Machenschaften gesucht werden, sowie den Ministerpräsidenten Modi selbst. Gandhi hat seinen Ausschluss aus dem Parlament als „politisch motiviert“ kritisiert. Es solle verhindert werden, dass Gandhi weiter öffentlich eine parlamentarische Untersuchung der Verbindungen zwischen Modi und dem Milliardär Gautam Adani fordert.

          Das Thema lastet auf Modis Popula­rität, seitdem Ende Januar der amerikanische Leerverkäufer Hindenburg Re­search in einem detaillierten Bericht Betrugsvorwürfe gegen das Konglomerat von Adani erhoben hatte. Vor dem Skandal war er der reichste Inder. Adani, der wie Modi aus dem westindischen Bundesstaat Gujarat stammt, soll von seiner Nähe zur Regierung profitiert ha­ben. Die Regierung selbst weist die Vorwürfe zurück und spricht von einer „At­tacke auf Indien“.

          Für Gandhi sind die Vorwürfe eine Gelegenheit, um an Mo­dis Image zu rütteln. Der 52 Jahre alte Politiker stammt aus einer Familie, die über Jahrzehnte Indiens Politik geprägt hatte. Im politischen Wettstreit hatte er Modi bislang wenig entgegenzusetzen. Zuletzt hatte er sein Profil auch mit einem medienwirksamen Marsch quer durch Indien geschärft.

          Konkurrenz für Modi

          Der jüngste Popularitätsschub machte es einfach für die zersplitterte Opposition, sich hinter Gandhi zu stellen. Mit dem gemeinsamen Auftreten wollen die Parteien der Möglichkeit entgegentreten, dass auch Politiker aus ihren Reihen ein Schicksal wie Gandhi erleiden könnten. Im Februar hatte die Polizei etwa Manish Sisodia wegen Korruptionsvorwürfen verhaftet. Er ist stellvertretender Vorsitzender der Aam Aadmi Party (AAP), die seit 2013 das Hauptstadtterritorium Delhi führt.

          Die AAP hatte mit ihrem Wahlsieg im Bundesstaat Punjab gezeigt, dass sie zu einer Konkurrenz für Modi und seine Bharatiya Janata Party (BJP) auch auf nationaler Ebene werden könnte. Neben ihr waren an dem Treffen beim Vorsitzenden der Kongresspartei Kharge auch so unterschiedliche Parteien wie der westbengalische Trinamool Congress, die hindunationalistische Shiv Sena und die Kommunistische Partei beteiligt.

          Politische Beobachter beklagen einen zunehmend autoritären Führungsstil der Regierung. „Indiens politisches System entwickelt sich in die Richtung einer ausgewachsenen Tyrannei“, schreibt der bekannte Intellektuelle Pratap Bhanu Mehta in der Zeitung „The Indian Express“. Die Opposition werde mit unfairen Mitteln bezwungen. Dabei gerät auch die für das kommende Jahr angesetzte Parlamentswahl in den Blick.

          Es wird allgemein damit gerechnet, dass Modi und die BJP zum dritten Mal die Mehrheit der Stimmen bekommen werden. Trotz der Annäherung der Oppositionsparteien erscheint ein von manchen erträumtes Anti-Modi-Bündnis auch jetzt noch nicht in greifbarer Nähe. Dafür sind die Unterschiede wohl zu groß.

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