G-7-Treffen in Berlin : Justizminister wollen Kriegsverbrechen gemeinsam ermitteln
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Der forensische Experte Ihor Motrich zeigt am 28. November 2022 einen Strick aus einem Massengrab in der Nähe von Cherson. Bild: EPA
Erstmals tagen die G-7-Justizminister gemeinsam. Sie wollen sich bei der Aufklärung russischer Kriegsverbrechen in der Ukraine besser abstimmen.
Die Justizbehörden der sieben wichtigsten westlichen Wirtschaftsmächte (G7) wollen enger zusammenarbeiten, um russische Kriegsverbrechen in der Ukraine aufklären zu können. Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP), der seine Kollegen aus Frankreich, Italien, Großbritannien, Kanada, USA und Japan in Berlin empfing, sagte nach dem Treffen, die Beteiligten hätten ein „Netzwerk nationaler Kontaktstellen“ begründet, damit die Justizbehörden aller Staaten, die an der Aufklärung von Kriegsverbrechen in der Ukraine mitwirken, Ermittlungsergebnisse und Beweismittel besser austauschen könnten.
Die ukrainischen Strafverfolgungsbehörden ermitteln mit eigenen Kräften zu Verbrechen und Gewalttaten, die vom Kriegsrecht nicht gedeckt sind, und werden dabei sowohl auf ukrainischem Boden als auch außerhalb von Strafverfolgern vieler weiterer Staaten unterstützt. In vielen Ländern ist die Aufnahme von Ermittlungen zu bestimmten völkerrechtlichen Straftatbeständen auch dann möglich, wenn sie nicht auf deutschem Hoheitsgebiet verübt worden sind.
Ein weiterer Weg für deutsche Strafverfolgungsbehörden, zur Ermittlung russischer Kriegsverbrechen in der Ukraine beizutragen, besteht aus Zeugenbefragungen ukrainischer Flüchtlinge, die sich in Deutschland aufhalten. Buschmann sagte, eine Million Ukrainer, die in Deutschland Zuflucht gefunden hätten, seien aufgerufen, als Opfer oder Zeugen über derartige Verbrechen zu berichten.
Der ukrainische Justizminister Denys Maljuska berichtete seinen Kollegen aus den G7-Staaten, dass seit Beginn des russischen Überfalls im vergangenen Februar fast 50 000 Verdachtsfälle von Kriegsverbrechen erfasst worden seien und gegen rund 600 Verdächtigte und Angeklagte ermittelt werde.
Berliner Erklärung
In einer Berliner Erklärung, auf die sich die Justizminister der G7-Staaten während ihres Treffens verständigten, wird neben dem Informationsaustausch über Ermittlungen und Beweismittel die Absicht bekräftigt, auch bei der Erhebung von Beweismitteln und Zeugenvernehmungen in allen Ländern Standards anzuwenden, die es gestatten, diese Beweise möglichst in allen Ländern in Gerichtsverfahren vorzulegen.
In der Erklärung heißt es, um die wirksame Untersuchung der im Zuge der russischen Aggression begangenen Verbrechen weiter zu verbessern und die grenzüberschreitende Zusammenarbeit zwischen den Ermittlungsbehörden zu erleichtern, werde in jedem Staat eine „zentrale nationale Kontaktstelle für die Verfolgung von Völkerstraftaten“ geschaffen, „um so ein leicht zugängliches Eingangstor für die internationale Koordination zu schaffen“. Zugleich solle die Zusammenarbeit mit Nichtregierungsorganisationen verbessert werden, die ihrerseits Verbrechen dokumentierten und recherchierten.
Zentrale Institution sitzt in Den Haag
Zu den Behörden, die den Verdachtsfällen auf russische Kriegsverbrechen nachgehen, gehört auch die Anklagebehörde des Internationalen Strafgerichtshofes in Den Haag. Der deutsche Justizminister Buschmann sagte, die Bundesregierung messe dem internationalen Strafgerichtshof die zentrale Rolle zu, wenn es gelte, die Urheber russischer Kriegsverbrechen außerhalb der Ukraine zu verfolgen.
Buschmann sagte, wenn die russische Führung in der Ukraine nun gezielt zivile Infrastruktur zerstöre und Kälte und Winter als Waffe gegen dei zivile Bevölkerung einsetze, müsse auch dies als ein „schlimmes Kriegsverbrechen“ gewertet werden.
Es gebe „große Einigkeit“, dass auch die russische Führungselite für die Grausamkeiten in der Ukraine belangt werden müsse, sagte Buschmann. Er zeigte sich offen für Forderungen, die Urheber des Krieges sollten sich am Ende vor einem internationalen Tribunal verantworten müssen.
Buschmann sagte, das sei vor allem dann unterstützenswert, wenn erstens die Stellung des Internationalen Strafgerichtshofes dadurch nicht geschmälert werde und zweitens gesichert sei, dass keine völkerstrafrechtliche Lücken existierten, die eine Anklage vor dem Den Haager Gerichtshof unmöglich machten. Dies gelte womöglich für das Verbrechen des bewaffneten Überfalls auf einen anderen Staat.