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F.A.Z. exklusiv : Früherer slowakischer Innenminister soll Trinh-Entführern geholfen haben

Der frühere slowakische Innenminister Robert Kaliňák war laut Beamten in die Entführung eines vietnamesischen Geschäftsmannes in Berlin verwickelt (Archivfoto). Bild: dpa

Der vietnamesische Geschäftsmann Trinh Xuan Thanh wurde in Berlin auf spektakuläre Weise entführt – und Robert Kaliňák war daran offenbar persönlich beteiligt, bestätigen jetzt slowakische Polizisten.

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          Der frühere slowakische Innenminister Robert Kaliňák ist außer Atem am Telefon. „Es geht nicht um mich, es geht um die Slowakei. Die Anschuldigungen sind alle nicht wahr, absolut nicht wahr, alle Details sind nicht wahr“, sagt er dieser Zeitung am Donnerstagabend. Zuvor hatte die slowakische Zeitung „Dennik N“ nach gemeinsamen Recherchen mit der F.A.Z. eine Schilderung der Ereignisse im Juli 2017 veröffentlicht, laut denen Kaliňák in die Entführung des vietnamesischen Geschäftsmannes Trinh Xuan Thanh verstrickt ist. Die Schilderung basierte auf Aussagen von Polizeibeamten, deren Aufgabe es war, eine vietnamesische Regierungsdelegation durch Pressburg (Bratislava) zu begleiten. Das Landeskriminalamt Berlin hat „nahezu keine Zweifel“, dass der Entführte im Schutz dieser Delegation verschleppt wurde.

          Morten Freidel
          Redakteur in der Politik der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung
          Justus Bender
          Redakteur in der Politik der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung.

          Der Ort des Geschehens ist das Hotel Bôrik in Pressburg. Dort haben sich Kaliňák und der vietnamesische Innenminister To Lam für ein Arbeitsessen verabredet. Es soll über einen Industriepark nahe Hanoi gesprochen werden, an dem sich slowakische Firmen beteiligen. Die Aufgabe der Polizeibeamten besteht darin, die Staatsgäste am Flughafen abzuholen, zum Hotel zu fahren und wieder zurück. Seltsam kommt ihnen diesmal nur vor, dass sie so kurzfristig informiert wurden, nur einen Tag vorher.

          Alle Details sind umstritten. Die Polizisten sehen Minister Kaliňák auf dem Parkplatz warten. Kaliňák leugnet das: „Ich warte nie vor dem Hotel.“ Die Beamten sehen, wie Kaliňák nervös wirkt und hektisch in sein Mobiltelefon spricht. Das Wort „Reisepass“ wollen sie gehört haben, ein Signalwort, weil die deutschen Ermittler vermuten, dass Trinh mit einem falschen Pass ausgeflogen wurde. Auch da: Kaliňák widerspricht. Er habe nicht telefoniert. Verantwortlich für den Schutz der vietnamesischen Autokolonne ist ein Polizist namens Ján H. Während Kaliňák und To im Hotel beraten, tragen vietnamesische Delegationsmitglieder laut den Aussagen eine ungewöhnliche Bitte an Ján H. heran: Sie wollen, dass in der Autokolonne zurück zum Flughafen ein weiteres Fahrzeug mitfahren kann, mit einem tschechischen Kennzeichen.

          Trinh wird als Letzter in den Flieger gebracht

          Es ist, wie die Polizisten später sagen, das Auto, in dem sich Trinh befindet. Das deckt sich mit Erkenntnissen deutscher Ermittler. Sie haben GPS-Daten ausgewertet und wissen, dass ein Auto der Entführer sich zu diesem Zeitpunkt auf dem Parkplatz des Hotels Bôrik befindet. „Ja, okay, das ist sehr verdächtig“, sagt Kaliňák. Ein Privatwagen soll auf Wunsch der Vietnamesen also in einer offiziellen Kolonne der Polizei mitfahren. Der Beamte Ján H. hat Bedenken und hält Rücksprache mit seinen Vorgesetzten. Man einigt sich darauf, dass nicht das Privatauto, sondern ein zusätzliches Polizeiauto die Passagiere aufnimmt. Diesen Wagen fährt den Aussagen zufolge ein Polizist namens Michal C.

          Beim Umsteigen von dem Privatauto in das Polizeiauto wollen die Polizisten erstmals das Entführungsopfer Trinh gesehen haben. Er hat Verletzungen, wirkt benommen und kann nicht ohne fremde Hilfe laufen. Der Protokollchef des Innenministeriums, Radovan Čulák, habe ihnen mitgeteilt: „Kali weiß davon, es ist im staatlichen Interesse.“ Kali ist ein Spitzname für Kaliňák, der auch hier widerspricht. Čulák sagt den Polizisten den Aussagen zufolge weiter, der Vietnamese sei betrunken und die Treppe heruntergefallen – sie sollten ihn vom vietnamesischen Minister fernhalten, der Peinlichkeit wegen. Kaliňák sagt: „Niemand wurde als verletzt oder in schlechtem Zustand oder als in seiner Bewegungsfreiheit eingeschränkt erkannt.“

          Die Kolonne rast nach Aussage der Polizisten direkt auf das Rollfeld des Flughafens. Minister To besteigt das slowakische Regierungsflugzeug als Erster, Trinh ist der Letzte, der in den Flieger gebracht wird, sichtlich benommen und gestützt von zwei Vietnamesen. Die deutschen Ermittler haben bisher nicht an eine persönliche Verwicklung Kaliňáks in die Entführung geglaubt. Der selbst sagt: „Wenn etwas hinter meinem Rücken passiert wäre, hoffe ich, dass mich jemand informiert hätte.“

           

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