
Friedensnobelpreis für das WFP : Die Pandemie namens Hunger
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Mais für Somalia: Ein WFP-Lager in Mogadischu im Jahr 2010 Bild: dpa
Das Osloer Komitee will den Multilateralismus stärken. Ist es feige, trotz Corona nicht Trumps Sündenbock WHO, sondern das WFP zu ehren? Nein, es ist richtig.
Am Hunger scheiden sich keine Geister, jedenfalls keine guten. Darum wirkt der Friedensnobelpreis für die Welternährungsorganisation, die derzeit in fast neunzig Ländern Nothilfe leistet, wie eine Kür ohne Kanten. Das Nobelkomitee hat sich nicht in einen konkreten Konflikt eingemischt, nicht tapferen Belarussinnen den Rücken gestärkt oder an den bald in sein zweites Jahrzehnt gehenden Syrien-Krieg erinnert.
Andererseits: Völlig unumstritten ist das Bekenntnis zu multilateral organisierter Hilfe für die Armen in unseren Tagen auch wieder nicht. In den Vereinigten Staaten will sich ein Präsident wiederwählen lassen, der an den Vereinten Nationen kein gutes Haar lässt – auch wenn das WFP Trumps Zerstörungswut bisher entkommen ist, wohl auch weil ein früher Unterstützer des Präsidenten die Organisation leitet.
Chinas Präsident Xi Jinping wiederum tut alles, um das amerikanische Vakuum zu füllen; zugleich nutzt er die Corona-Pandemie, um sein autoritäres Modell global als überlegen zu verkaufen und möglichst viele Länder der Erde in Abhängigkeit von China zu bringen.
Immer dieselben Schurken? Nicht nur. Die Pandemie hat gezeigt, dass auch aufgeklärten Multilateralisten das Hemd in schwierigen Zeiten näher ist als der Rock. Sind wir jetzt nicht selbst alle Opfer?
Die Osloer Rückendeckung für den Multilateralismus wäre politisch schärfer, wenn statt des WFP die Weltgesundheitsorganisation ausgezeichnet würde. In Zeiten der Seuche mochte das naheliegen, aber es wäre falsch gewesen: Nur weil Trump in der WHO einen Sündenbock fand, muss man deren Tun und Lassen nicht für preiswürdig halten. Ohnehin wäre das ein zu enger Blick auf die Pandemie.
Die Seuche und die Lockdowns haben vielerorts Hungersnöte verschärft und neue verursacht. Und das, wo der Trend schon vorher in die falsche Richtung zeigte: wegen Naturkatastrophen in Folge des Klimawandels; wegen Kriegen, die oft starke Mächte auf dem Rücken fremder Völker anheizen; wegen burschikos ausgetragener Handelskonflikte. So sprach dann doch viel dafür, daran zu erinnern, dass eine UN-Organisation hundert Millionen Menschen ernähren muss. Anno 2020.