Frauen dürfen Autofahren : Freie Fahrt für ein neues Saudi Arabien?
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Diese Frau setzte sich schon 2014 bei einer Demonstration für Frauenrechte ans Steuer. Bild: AP
Ein königliches Dekret erlaubt Frauen in Saudi Arabien in Zukunft das Autofahren. Es trägt die Handschrift des ambitionierten Kronprinzen Mohammed bin Salman. Was bedeutet das für die Gleichberechtigung der Frauen?
Selbstbewusst setzen die Frauen sich hinters Steuer, rücken den Niqab zurecht, recken triumphierend die Hand aus dem Fenster – und geben Gas. Reifen quietschen, Staub wirbelt durch die Luft, während ihnen arabische Männer in weißer Dschalabiya und rotkarierter Kufiya auf dem Kopf vom Straßenrand her zujubeln.
Die Szene ist bisher keine Beschreibung der Realität in Saudi Arabien sondern entstammt dem sieben Jahre alten Musikvideo zu „Bad Girls“ der Sängerin M.I.A, die damit provozieren wollte. Doch nach der Ankündigung des saudischen Königshauses, Frauen hinters Steuer zu lassen, teilten Nutzer Ausschnitte des Videos auf dem Kurznachrichtendienst Twitter unter der Überschrift „Mood“ – aktuelle Stimmung. Für viele ist die Aufhebung des Fahrverbots ein Meilenstein auf dem Weg zu einem gemäßigteren Saudi Arabien.
Am späten Dienstagabend hatte das saudische Königshaus verkündet, in Zukunft auch Frauen zu ermöglichen, den Führerschein zu machen. Frauenrechtlerinnen kämpfen in der streng konservativen Monarchie seit drei Jahrzehnten dafür, dass Frauen fahren dürfen. Saudi Arabien ist das letzte Land der Welt, in dem es ein Fahrverbot für Frauen gibt, es gilt weltweit als Symbol für die Rückständigkeit des Landes in Sachen Gleichberechtigung.
Die Gründe für das Verbot, die vor allem von ultrakonservativen Klerikern angeführt wurden, übertreffen sich dabei teils an Absurdität. Im September hatte ein Kleriker einen Sturm der Entrüstung beschworen als er behauptete, Shopping und Autofahren würde das – ohnehin schon viel kleinere – Gehirn von Frauen weiter schrumpfen. Auch dass Fahren schädlich für die Eizellen sei, ist eine gängige Begründung für das Verbot.
Frauenrechtlerinnen hatten sich in der Vergangenheit immer wieder über das Verbot hinweggesetzt und damit Gefängnisstrafen riskiert. 2011 erlangte die IT-Beraterin Manal al Sharif weltweite Bekanntheit, als sie ein Video von sich hinterm Steuer veröffentlichte. Sie konnte nur nach Protesten einer langen Gefängnisstrafe entgehen und musste nach Morddrohungen das Land verlassen. Sie twitterte am Dienstag „Wir haben es geschafft“, „Saudi Arabien wird nie wieder dasselbe sein. Der Regen beginnt mit einem einzelnen Tropfen“ und setzte noch einen drauf: „women2drive geschafft, IamMyOwnGuardian in Arbeit“. Damit spielt sie auf die Vormundschaft an, die in Saudi Arabien von Männern über ihre Frauen, Schwestern und Töchter ausgeübt wird.
In den sozialen Medien ist die Freude groß über den „historischen Moment“, kritische oder konservative Stimmen sind erstaunlich leise. Viele sehen in dem königlichen Dekret den Auftakt dazu, dass sich die Gesellschaft wandelt und setzen ihre Hoffnungen auf den Kronprinzen Muhammad Bin Salman al Saud.
Spekulationen darüber, ob das Autofahren Frauen ermöglicht werden würde, hatte es bereits mit der Thronbesteigung König Salmans im Januar 2015 gegeben. Dass es nun dazu kommen soll, trägt jedoch die Handschrift seines mutmaßlich zukünftigen Nachfolgers, Kronprinz Muhammad Bin Salman. Mit seiner „Vision 2030“ will er das Land umkrempeln und wirtschaftlich fit machen für eine Zukunft, die nicht nur vom Öl abhängt.