Französisches Sparprogramm : Von Deutschland lernen
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Regierungschef François Fillon: Dem Wort Staatsbankrott haftet nichts Abstraktes mehr an Bild: dapd
Sarkozy zieht mit einem ernstzunehmenden Sparprogramm in das Wahljahr 2012. Dem sozialistischen Präsidentschaftskandidaten Hollande fällt unterdessen wenig ein.
Dem Wort Staatsbankrott, sagt Frankreichs Regierungschef François Fillon am Montag, haftet nichts Abstraktes mehr an. Er meint nicht Griechenland, er spricht von seinem Heimatland, in dem er schon 2007 einen Staat „nahe der Pleite“ ausgemacht hatte.
Seit Frankreich aufgrund seiner Schuldenlast ganz offiziell um seine beste Bonitätsnote bangen muss, haben sich die alten Einsichten des Premierministers auch Staatspräsident Nicolas Sarkozy erschlossen. Wenige Tage nach dem Krisengipfel von Cannes mit Sarkozy an der Seite der Bundeskanzlerin in der Rolle der haushaltspolitischen Tugendwächter gegenüber dem Griechen Papandreou oder dem Italiener Berlusconi folgt nun eine Mühsal-Schweiß-und-Tränen-Rede an die Franzosen.
Sie kommt nicht aus dem Munde des Staatspräsidenten, der vermutlich bei den Präsidentenwahlen in sechs Monaten um das Vertrauen der französischen Wähler werben will. Offiziell will Sarkozy erst im Februar über eine Kandidatur entscheiden, aber in der Präsidentenpartei UMP wird an seinem Willen nicht mehr gezweifelt. So verkündet Premierminister Fillon die neuen Sparbeschlüsse, die größtenteils aus Steueranhebungen oder, genauer, der Rücknahme von Steuervergünstigungen bestehen.
Von Deutschland lernen heißt Sparen lernen
Der Präsident und die Regierungsmitglieder wollen mit gutem Beispiel vorangehen: Ihre Gehälter werden eingefroren. Premierminister Fillon fordert die Chefs der französischen Großunternehmen auf, sie nachzuahmen. Gewisse Gehaltserhöhungen in den Führungsetagen der Unternehmen seien „schlichtweg unanständig“.
Sieben Milliarden Euro zusätzlich will Frankreich noch im Haushaltsjahr 2012 sparen, 11,6 Milliarden im Jahr 2013. Das Haushaltsdefizit soll damit 2013 auf die im Maastrichter Vertrag vereinbarte Drei-Prozent-Grenze gebracht werden. Fillon spricht von einem rigorosen Sparhaushalt, „die größte Haushaltsanstrengung seit Ende des Zweiten Weltkrieges“. Als Vorbild nennt er Deutschland, und von Deutschland lernen heißt Sparen lernen. Der verringerte Mehrwertsteuersatz für Baugewerbe und Gastronomie wird von 5,5 Prozent auf sieben Prozent angehoben, „damit gleichen wir uns dem reduzierten deutschen Mehrwertsteuersatz an“, sagt Fillon.
Noch wichtiger aber ist, dass die für 2018 programmierte Rentenreform, die Anhebung des Renteneintrittsalters von 60 auf 62 Jahre, schon ein Jahr früher, also 2017, in Kraft treten soll. Das ist ein weiterer Schritt in Richtung einer Angleichung an die deutsche Rentenregelung, die bislang nur Fillon nachahmen möchte. In seinem jüngsten Fernsehgespräch an die Nation wich Sarkozy der Frage der „Rente mit 67“ aus und sprach lieber über die im Vergleich bessere demographische Entwicklung in Frankreich.
Neue Aufgabenteilung
Die Aufgabenteilung zwischen dem Regierungschef und dem Präsidenten ist dabei neu. Bislang hatte Sarkozy als „omniprésident“ immer alles in Eigenregie entschieden und verkündet. Jetzt kümmert sich der Präsident um die pädagogische Einbettung („Wir erleben die schwerste Wirtschaftskrise seit 1945“) und überlässt es dem Premierminister, den Franzosen die Sparmaßnahmen vorzustellen. Ein für Frankreich bemerkenswertes Novum ist dabei, dass die Staatsführung unter Sarkozy und Fillon mit einem ernstzunehmenden Sparprogramm in das Wahljahr 2012 zieht. Bislang wurden vor Wahlterminen immer die letzten Reserven verprasst.
Der Sparwille fordert den sozialistischen Präsidentschaftskandidaten François Hollande heraus, der in den Vorwahlen erfolgreich an seinem Ruf als verantwortungsbewusster Haushalter bastelte. Doch seit Sarkozys Bekehrung zu Haushaltsdisziplin und Defizitabbau fällt Hollande wenig ein. In der linksgerichteten Zeitung „Libération“ brüstete sich der Sozialist am Montag statt mit inhaltlichen Vorschlägen mit der Äußerung, „kein Gegenpräsident, sondern der nächste Präsident zu sein“. Während des G-20-Gipfels in Cannes fiel Hollande durch seine Unentschlossenheit auf. Er sei „weder gegen noch für ein Referendum in Griechenland“, äußerte er.
Während Sarkozy in Cannes abwechselnd mit dem amerikanischen Präsidenten oder der Bundeskanzlerin vor die Kameras trat, unterzeichnete Hollande in der Corrèze Autogramme an einem Bücherstand. An den Brüsseler Beschlüssen mäkelte er herum, „Frankreich hat Deutschland gegenüber nachgegeben“. „Sarkozy paradiert, Hollande stolpert herum“, titelte „Libération“. In der Entourage der sozialistischen Parteivorsitzenden Martine Aubry heißt es, jetzt zeige sich, wie wenig Hollande vorbereitet sei, im Gegensatz zu der in den Vorwahlen unterlegenen Frau Aubry. „Ich bin noch nicht im Wahlkampf“, sagte Hollande.