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Kommunalwahl in Frankreich : Macron wird von der „grünen Welle“ überrollt

Emmanuel Macron am Sonntag in Le Touquet Bild: EPA

In der zweiten Runde der französischen Kommunalwahl zeigt sich die Enttäuschung über den Präsidenten. Die Franzosen suchen nach politischer Erneuerung. Die repräsentative Demokratie steckt in einer profunden Krise.

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          In die Rathäuser von Lyon, Bordeaux, Straßburg, Poitiers, Grenoble, Besancon und vermutlich auch Marseille ziehen grüne Bürgermeister ein. In Paris sicherte sich die sozialistische Bürgermeisterin Anne Hidalgo mit dem Versprechen einer radikalen Verkehrswende eine zweite Amtszeit. Der Wunsch nach mehr Grün ist das markanteste Ergebnis der ungewöhnlichen Stichwahlrunde der Kommunalwahlen in Frankreich, die aufgrund der Corona-Pandemie um mehr als drei Monate aufgeschoben worden war.

          Michaela Wiegel
          Politische Korrespondentin mit Sitz in Paris.

          Die „grüne Welle“ in den größeren Städten ist dabei nur eine Facette der verzweifelten Suche der Franzosen nach politischer Erneuerung. Das Wahlergebnis bildet vor allem die Enttäuschung über Präsident Emmanuel Macrons Regierungspartei „La République en marche“ (LREM) ab. Der einzige „Macron-Mann“, der einen Sieg holte, war Premierminister Edouard Philippe in der normannischen Hafenstadt Le Havre. Doch der von der bürgerlichen Rechten verstoßene Regierungschef hat sich bezeichnenderweise nie zu einer Mitgliedschaft bei LREM durchringen können.

          Die „Wiege“ der Macron-Bewegung in Lyon wie auch die ehemaligen LREM-Wählerhochburgen in den meisten Großstädten werden künftig von grün geprägten Linksbündnissen regiert. Für den rapiden Vertrauensverlust der Regierungspartei ist das Schicksal der LREM-Spitzenkandidatin Agnès Buzyn in den französischen Hauptstadt symptomatisch. Der ehemaligen Gesundheitsministerin gelang es mit einem Ergebnis von 16 Prozent nicht einmal, in den Stadtrat von Paris einzuziehen. Im Mai 2017 hatte Macron in Paris annähernd 90 Prozent der Wählerstimmen auf sich vereint.

          Die größte Partei bildet inzwischen die der Wahlenthaltung – annähernd 60 Prozent der Wahlberechtigten blieb dem Wahlgang fern. Das mag teils an der Angst vor Ansteckung gelegen haben. Doch ist die geringe Wahlbeteiligung auch Ausdruck einer profunden Krise der repräsentativen Demokratie in Frankreich. Bei der vorangegangenen Kommunalwahl lag die Wahlenthaltung in der Stichwahl am 30. März 2014 bei 36,8 Prozent.  

          Die rechtspopulistische Partei Rassemblement National (RN) zählt dieses Mal nicht zu den eindeutigen Krisengewinnlern. Zwar zieht der ehemalige Lebensgefährte von Parteichefin Marine Le Pen, Louis Aliot, in das Rathaus von Perpignan ein. Der Sieg in der katalanischen Stadt kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass Le Pens Partei von einer über das ganze Land verteilten lokalen Verankerung noch weit entfernt ist. In den Hochburgen des RN im Norden und im Mittelmeerraum wurden die Bürgermeister von den Wählern im Amt bestätigt. Nur in Marseille verlor der RN-Bezirksbürgermeister Stéphane Ravier in seinem Wahlkreis.

          Als wolle er die repräsentative Demokratie noch weiter schwächen, hofiert Präsident Macron am Montag die 150 Mitglieder des sogenannten Bürgerkonvents, einer nach dem Losprinzip ausgewählten Wählervertretung, die Vorschläge für eine grüne Klimapolitik und nachhaltiges Wachstum erarbeitet hat. Macron hofft auf diese Weise sein „grünes“ Profil zu stärken. Macrons im Zorn geschiedener Umweltminister Nicolas Hulot hatte schon vor Monaten über diese Art von Politik geurteilt: „Bis auf die Symbolwirkung bringt das rein gar nichts.“

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