Frankreich : In der Tradition des Kommandanten Cousteau
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Hulot verlangt eine kleine Revolution im Agrarstaat Frankreich Bild: AFP
Nicolas Hulot wurde als Umweltschützer Fernsehstar - nun droht er der Politik mit einer eigenen Kandidatur bei den französischen Präsidentschaftswahlen. Und plötzlich reißen sich alle um ihn als „gutes ökologisches Gewissen“.
Millionen von Franzosen nimmt Nicolas Hulot regelmäßig auf seinen Streifzügen von den Gletschern Grönlands bis zur „roten Insel“ Madagaskar mit. Seine Natur- und Abenteuersendung „Ushuaia“ im Privatsender TF1 läuft seit Jahrzehnten und fasziniert im Schnitt zehn Millionen Fernsehzuschauer.

Politische Korrespondentin mit Sitz in Paris.
Nun hat sich der 51 Jahre alte, schlanke Bretone mit dem wettergegerbten Teint des Weltenbummlers eine neue Herausforderung gesucht: Er will Frankreichs Politik aus der ökologischen Ahnungs- und Sorglosigkeit herausholen und die wichtigsten Parteien auf ein handfestes Programm zum Umwelt- und Klimaschutz festlegen. Und hat gedroht, er könne sich ja gleich selbst um das Präsidentenamt bewerben.
Holzmöbel, Grünpflanzen und Baumwollpulli
„Bei meinen Reisen habe ich nicht nur die atemberaubenden Schönheiten unseres Planeten entdeckt, sondern auch die Verletzlichkeit von Flora und Fauna“, sagt Nicolas Hulot. Er empfängt im neuen Gebäude seiner Stiftung in Boulogne-Billancourt, wo er seit Februar die 25 Mitarbeiter der gemeinnützigen „Fondation Nicolas Hulot“ untergebracht hat. Holzmöbel, Fußböden und Farbanstrich sind „ökologisch verträglich“, im Treppenhaus ranken urwaldartige Grünpflanzen die Wände hoch. Hulot sieht im lässigen Baumwollpullover, dunklen Jeans und Stiefeln so aus, als könne er gleich in den nächsten Hubschrauber steigen, um ein paar Schneeklumpen vom Kilimandscharo vor eine Fernsehkamera zu halten und zu erklären, warum die Schneemengen dort immer weniger werden.
Frankreich : Sarkozy will französischer Präsident werden
Statt dessen klingelt erst einmal sein Handy, die sozialistische Präsidentschaftskandidatin Ségolène Royal ist in der Leitung. „Eigentlich hatte ich überhaupt keine Lust, mich als Präsidentschaftskandidaten ins Gespräch zu bringen. Aber erst seit ich es getan habe, werden meine Vorstellungen ernst genommen“, sagt Hulot. Irgendwie wundert es ihn schon, daß ihn jetzt plötzlich alle hofieren. Er hatte die „Hypothese einer Kandidatur“ als politisches Druckmittel aufgestellt.
„Ökologischer Pakt“
Im Wahlkampf 2002 hat ihn die Ignoranz entsetzt, welche die wichtigsten Präsidentenanwärter Klimaschutz und nachhaltiger Entwicklung entgegenbrachten. Jetzt reißen sich alle um Nicolas Hulot als „gutes ökologisches Gewissen“. Der bürgerliche Innenminister Nicolas Sarkozy hat ihn ebenso eingeladen wie Ségolène Royal. Der Zentrist François Bayrou hat seinen „Ökologischen Pakt“ unterzeichnet, jenen Forderungskatalog, an dem er den Willen zu einer ernstgemeinten Politik der nachhaltigen Entwicklung messen will.
In dem auch als Buch erschienenen „Öko-Pakt“ verlangt Hulot eine Unterordnung der französischen Agrardoktrin unter das Ziel der nachhaltigen Entwicklung - und damit eine kleine Revolution im Agrarstaat Frankreich. Weder linke noch rechte Regierungen haben sich bislang gewagt, die Vorherrschaft der Agrarbarone zu brechen, die über die französische Nahrungs- und Genußmittelindustrie über Hunderttausende Arbeitsplätze regieren.
Geradezu subversiv ist auch Hulots Vorstoß, einen Vizepremierminister für Ökologie zu berufen, der bei allen Regierungsbelangen als Anwalt der nachhaltigen Entwicklung sprechen soll. Weder Sarkozy noch Frau Royal haben sich auf den Vorschlag bislang eingelassen. Vorsichtiger geht Hulot mit der Frage der Kernkraft um. „Unsere Energieversorgung hängt viel zu sehr von der Kernenergie ab, als daß eine Ausstiegsforderung realistisch wäre“, sagt er. „Unsere Zukunft liegt in der Diversifizierung der Energiequellen.“ Auch auf lange Sicht kann sich Hulot mit der Kernenergie als dem „geringeren Übel“ abfinden, denn die Alternative heute hieße Kohlekraftwerke, die wesentlich mehr Schadstoffe ausstoßen. Hulot stört es nicht, daß der (Atom-)Stromversorger EDF zu den großzügigsten Mäzenen seiner Stiftung zählt.