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Dürrewellen in Frankreich : Macron und der Kampf ums Wasser

Gegenseitige Schuldzuweisungen: Proteste gegen den Bau eines Wasserreservoirs am 25. März in Sainte-Soline Bild: AFP

Der französische Präsident sucht nach Wegen, um gegen die zunehmende Wasserknappheit im Land vorzugehen. In der Bevölkerung führt das Thema immer wieder zu schweren Auseinandersetzungen.

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          Einfach mal rausfahren und über andere Dinge sprechen. Dieses Bild vermittelte Emmanuel Macron, als er sich am Donnerstag zur Vorstellung eines nationalen „Wasserplans“ nach Savines-le-Lac in die französischen Alpen begab. Hektisch soll die erste wirkliche Dienstreise in die Provinz seit Vorstellung der Rentenreform Mitte Januar anberaumt worden sein.

          Niklas Záboji
          Wirtschaftskorrespondent in Paris

          Eigentlich hatte sich Premierministerin Elisabeth Borne schon vorige Woche darum kümmern sollen. Doch Macron erklärte das Wasser kurzerhand zur Chefsache – auch, um in der festgefahrenen Rentendebatte ein Signal an die Jugend und die ökologisch gesinnten Franzosen zu senden, wie es aus seinem Umfeld heißt. Neue Akzente tun not. Macrons Beliebtheitswerte sind in den Keller gerauscht, 70 Prozent der Franzosen haben nach dem am Donnerstag veröffentlichten Barometer des „Le Figaro Magazine“ kein Vertrauen in ihn.

          Das Wasser ist im Grunde ein Thema, mit dem sich punkten lässt. Die jüngste Winterdürre hat parteiübergreifend vor Augen geführt, dass sich der Klimawandel nicht in ein paar Grad Durchschnittstemperatur mehr erschöpft, sondern das Ökosystem auf den Kopf stellt und grundlegend zur Anpassung zwingt.

          „Wasserplan“ mit 53 Punkten

          Um 14 Prozent seien die Wasserressourcen aus Flüssen und Niederschlägen im Zeitraum 2002 bis 2018 im Vergleich zum Zeitraum 1990 bis 2001 geschrumpft, so das französische Umweltministerium. 32 Tage lang am Stück hat es zwischen Ende Januar und Ende Februar nicht geregnet, der Wetterdienst Météo France sprach vom trockensten Winter seit Be­ginn der Aufzeichnungen im Jahr 1959. Dass die Präfektur in mehreren De­partements die Gartenbewässerung verbietet, das kannte man in Frankreich bislang nur aus den Sommermonaten. Und auch die waren zuletzt historisch heiß und trocken. Die Frage ist nicht mehr, ob es Veränderungen braucht, sondern welche.

          Der „Wasserplan“, den Macron am Donnerstag symbolträchtig vor dem von Trockenheit betroffenen Serre-Ponçon-Stausee enthüllte, zählt 53 Punkte. Sektor für Sektor sollen bis zum Sommer Einsparpläne erstellt werden. Die Regierung will unter anderem die Speichertechnik fördern, Leckagen besser aufspüren, die Regionen finanziell unterstützen und das Wasserrecycling ankurbeln.

          Weniger als ein Prozent des Wassers werden in Frankreich aktuell wiederverwendet, bis 2030 sollen es 10 Prozent werden, sagte Macron. Auch soll stärker zur Kasse ge­beten werden, wer viel verbraucht. Macron kündigte eine „progressive Preisgestaltung“ an, wonach die Kosten je Ku­bikmeter von einem bestimmten Verbrauchsniveau an steigen sollen.

          Macrons Auftritt in den Bergen wurde von einigen Dutzend Demonstranten begleitet, in deren Pulk Fahnen der französischen Gewerkschaften wehten. Zu Szenen wie am vergangenen Wochenende im westfranzösischen Sainte-Soline kam es nicht. Dabei war es auch dort um das Thema Wasser gegangen. Einige Tausend Aktivisten hatten gegen den Bau von 16 großen Reservoirs demonstriert. Ein Teil der lokalen Landwirte will auf diese Weise die Bewässerung ihrer Felder in den trockenen Monaten sicherstellen. Umweltschützer und Kleinbauern halten das für einen verheerenden Eingriff in die Natur und eine Privatisierung natürlicher Ressourcen.

          „Gekommen, um Krieg zu führen“

          Doch um die Sache geht es bei der Diskussion um die Reservoirs in der französischen Öffentlichkeit mittlerweile kaum noch. Nachdem sich Polizei und Aktivisten schwere Auseinandersetzungen mit Dutzenden Verletzten auf beiden Seiten geliefert hatten, bei denen zwei Demonstranten im Koma landeten, weisen sich die jeweiligen Lager gegenseitig die Schuld zu.

          Den Behörden und Innenminister Gérald Darmanin wird vom Linkspopulisten Jean-Luc Mélenchon vorgeworfen, die Eskalation bewusst herbeigeführt zu haben. Der schießt zurück, spricht von gezielten Angriffen auf die öffentliche Ordnung und plant die Auflösung einer der beteiligten Aktivistengruppen.

          Indirekte Rückendeckung erhielt Dar­manin am Donnerstag von Macron. Tausende von Menschen seien einfach nach Sainte-Soline gekommen, „um Krieg zu führen“, sagte der Präsident. Für besondere Brisanz sorgte eine Tonaufnahme der Rettungssanitäter vom Wochenende, die in der Öffentlichkeit kursiert. Darin heißt es, dass man wegen eines Befehls der Ordnungskräfte keinen Hubschrauber zu Verletzten in das Gebiet schicken könne. Aktivisten haben am Donnerstagabend zu Protesten vor Präfekturen und Unterpräfekturen aufgerufen. Das Innenministerium rechnet mit 80 Aktionen und 16.000 bis 20.000 Teilnehmern.

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