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Nach Drohungen Erdogans : Seehofer auf Rettungsmission

  • Aktualisiert am

Bundesinnenminister Horst Seehofer Bild: EPA

Um den wackeligen EU-Flüchtlingspakt mit der Türkei zu retten, fliegt Bundesinnenminister Seehofer nach Ankara und Athen. Dabei geht es um Drohungen Erdogans, steigende Flüchtlingszahlen, überfüllte griechische Flüchtlingslager und sehr viel Geld.

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          Weil wieder mehr Flüchtlinge aus der Türkei auf den griechischen Inseln ankommen, reist Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) am Donnerstag nach Ankara. Dort will er unter anderem mit Innenminister Süleyman Soylu und Außenminister Mevlüt Cavusoglu sprechen. Am Freitag fliegt er zu Gesprächen mit griechischen Politikern weiter nach Athen. Die Reise will Seehofer gemeinsam mit seinem französischen Kollegen Christophe Castaner und EU-Migrationskommissar Dimitris Avramopoulos absolvieren.

          In der Türkei soll es vor allem um den kriselnden EU-Türkei-Flüchtlingspakt gehen. Die Vereinbarung vom Frühjahr 2016 sieht vor, dass Griechenland Flüchtlinge von den Ägäis-Inseln zurück in die Türkei schicken kann. Im Gegenzug übernimmt die EU syrische Flüchtlinge aus der Türkei und unterstützt die Türkei finanziell bei der Versorgung der Flüchtlinge.

          Allerdings sind die Lager auf den griechischen Ägäis-Inseln mittlerweile wieder völlig überfüllt und nur wenige Menschen wurden bislang zurückgeschickt. Die Athener Regierung brachte nun auch Menschen aufs Festland. Zuletzt gelangten immer wieder Hunderte aus der Türkei auf die Inseln, die Zahlen steigen – auch wenn sie immer noch auf weit geringerem Niveau sind als vor einigen Jahren. Die Vermutung: Die türkische Regierung lässt es geschehen.

          Erdogan ist unzufrieden

          „Die Entwicklung der Migration in der Ägäis verdient unsere erhöhte Aufmerksamkeit“, teilte Seehofer am Tag vorher per Twitter mit. „Das Jahr 2015 darf sich nicht wiederholen.“ Die flüchtlingspolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion, Luise Amtsberg, und die ehemalige Partei-Chefin Claudia Roth verurteilten den Flüchtlingspakt scharf. Sie verwiesen auf Berichte von Menschenrechtsorganisationen, wonach die Türkei Geflüchtete gegen ihren Willen nach Syrien zurückbringt. „Das ist ein krasser Verstoß gegen geltendes Asylrecht“, erklärten sie. Seehofer müsse dies der türkischen Regierung unmissverständlich klar machen.

          Von türkischen Gesprächspartnern will der deutsche Minister wissen, wo es hakt in der Zusammenarbeit. „Die Vereinbarung mit der Türkei und der EU sieht ja auch Verpflichtungen der EU vor, nicht nur der Türkei. Und die scheinen nicht so umgesetzt zu sein bis heute, wie das in der Türkei erwartet wird“, sagte Seehofer kürzlich. „Und darum muss man sich kümmern.“

          Die Türkei fürchtet angesichts der anhaltenden Kampfhandlungen in Nordsyrien weitere Flüchtlingsströme in Richtung türkische Grenze. Der Schuh drückt aus türkischer Sicht aber vor allem beim Geld. Die Türkei habe für die Flüchtlinge schon mehr als 40 Milliarden Dollar ausgegeben, sagt Präsident Recep Tayyip Erdogan. Und das Geld aus der EU fließe einfach nicht so wie es solle.

          Mehr Gelder für türkische Behörden und Organisationen

          Bei Seehofer sind die Sorgen angekommen. In einer Auskunft von Innen-Staatssekretär Stephan Mayer an die Linken-Abgeordnete Gökay Akbulut von Mitte September, die der Deutschen Presse-Agentur vorliegt, heißt es: „Trotz der großen Bemühungen auf türkischer Seite steigt derzeit die Zahl von Schutzsuchenden auf den griechischen Inseln. Deshalb werden nunmehr mögliche weitere Unterstützungsleistungen für Griechenland und die Türkei innerhalb der Bundesregierung geprüft und mit den europäischen Partnern abgestimmt.“ Ob Unterstützung Geld bedeutet, bleibt indes offen.

          Aktuell sieht die Türkei der Auszahlung der zweiten Tranche aus dem aktuellen EU-Unterstützungsprogramm entgegen. Recherchen des „Handelsblatts“ zufolge hat sie sich dabei schon Vorteile erkämpft: Für einen Teil der zweiten Tranche – Wert: 1,4 Milliarden Euro – hat die EU die Modalitäten für die Verteilung der Gelder geändert, und zwar zum Vorteil türkischer Organisationen und der Regierung. Künftig sollen dem Bericht aus dem September zufolge Hunderte zusätzliche Millionen Euro direkt an türkische Ministerien fließen, die beispielsweise Lehrer oder Sozialarbeiter ausbilden. Der dpa sagte ein EU-Beamter, dass von der zweiten Tranche 875 Millionen Euro für vier Projekte direkt an türkische Behörden gehen sollen.

          Außerdem wurde nun auch eine Obergrenze für Verwaltungskosten festgelegt, die bei neuen Ausschreibungen de facto große internationale Organisationen wie UN-Zweige oder auch die deutsche staatliche Entwicklungshilfeorganisation GIZ aus dem Rennen wirft. Die GIZ bestätigte, dass ein Angebot aus diesen technischen Gründen aussortiert worden sei. „Die veränderten Ausschreibungsmodalitäten im Rahmen der zweiten Tranche“ beträfen das Maßnahmenpaket, das im Juli 2019 von der EU vergeben wurde, sagte ein Sprecher am Mittwoch. Die GIZ „hatte sich an der Ausschreibung mit einem Projektantrag beteiligt, der nicht bewilligt wurde“. Andere Projekte, finanziert aus der ersten Tranche oder aus Töpfen des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) liefen aber weiter.

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