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Fall Skripal : Journalisten enttarnen auch zweiten Verdächtigen als Agenten

  • Aktualisiert am

Der Mann, der sich „Alexander Petrow“ nannte, im Interview mit dem russischen Staatsfernsehen. Bild: AFP

Dass die Beschuldigten im Nervengift-Anschlag im britischen Salisbury nur Touristen waren, wird immer unhaltbarer. Reporter identifizieren nun beide als Mitglieder des russischen Militärgeheimdienstes.

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          Investigativ-Journalisten haben nach eigenen Angaben die Identität des zweiten Verdächtigen im Fall des Giftanschlags auf den Ex-Doppelagenten Sergej Skripal aufgedeckt. Der Mann mit dem Decknamen „Alexander Petrow“ heiße tatsächlich Alexander Jewgeniewitsch Mischkin und sei ein russischer Geheimdienstagent, teilte das in Großbritannien ansässige Recherchenetzwerk Bellingcat am Montag mit. Der ausgebildete Militärarzt arbeite für den Militärgeheimdienst GRU.

          Dem Bericht zufolge wurde Mischkin auf einer Elite-Militärakademie zum Arzt ausgebildet. Während des Studiums sei er vom Geheimdienst angeworben worden. 2010 sei er unter dem Decknamen Petrow nach Moskau gezogen. Ausgewertet haben die Journalisten unter anderem Angaben von Bekannten des Verdächtigen sowie verschiedene Ausweisdokumente.

          Angebliche Touristen

          Die britische Polizei hatte Anfang September zwei Verdächtige in dem Fall identifiziert, die vermutlich unter falscher Identität nach Großbritannien eingereist seien. Eine Woche später präsentierten sich die beiden gesuchten Männer im russischen Fernsehen als unbescholtene Touristen. Auch Präsident Wladimir Putin bezeichnete sie als Zivilisten.

          Den anderen mutmaßlichen Täter hatte Bellingcat Ende September als GRU-Agenten Anatoli Tschepiga identifiziert.

          Anschlag in Salisbury

          Der ehemalige russische Doppelagent Sergej Skripal und seine Tochter Julija waren Anfang März in der südenglischen Stadt Salisbury durch das in der Sowjetunion entwickelte Nervengift Nowitschok schwer verletzt worden und nur knapp dem Tode entronnen.

          Die britische Regierung macht Putin für den Anschlag verantwortlich, der Kreml weist jegliche Verantwortung zurück. Der Fall führte zu einer schweren Krise zwischen Russland und dem Westen, beide Seiten veranlassten die Ausweisung dutzender Diplomaten.

          Bellingcat ist ein renommiertes investigatives Recherchenetzwerk um den britischen Netzaktivisten Eliot Higgins. Es untersucht unter anderem auch den Einsatz von chemischen Waffen im syrischen Bürgerkrieg. Für Furore sorgten die Reporter vor allem mit einer Analyse zum Abschuss der malaysischen Passagiermaschine MH17 über der Ostukraine: Bellingcat warf der russischen Regierung damals vor, Satellitenbilder gefälscht zu haben, um die Schuld am Absturz von MH17 der ukrainischen Seite anzulasten. Nach eigenen Angaben finanziert es sich durch Crowd-Funding.

          Der Fall Skripal

          Der ehemalige russische Doppelagent Sergej Skripal und seine Tochter Julija wurden Anfang März in der südenglischen Stadt Salisbury durch das in der Sowjetunion entwickelte Nervengift Nowitschok schwer verletzt  und überlebten nur knapp. Eine dritte Frau, die später mit dem Gift in Kontakt kam, starb.

          Sergej Skripal hatte früher für den russischen Militärgeheimdienst GRU gearbeitet und dem britischen MI6 Informationen weitergeleitet. 2004 flog er auf. Er wurde in Russland zu 13 Jahren Lagerhaft verurteilt. Bei einem Gefangenenaustausch kam er 2010 nach Großbritannien.

          Anfang September veröffentlichte die britische Polizei dann Fahndungsfotos und die Namen von zwei russischen Verdächtigen, mit denen sie nach Großbritannien eingereist waren. Minuziös zeichneten die Ermittler den Weg der beiden nach Salisbury nach – sie hatten dafür Videoaufnahmen im Umfang von etwa 11.000 Stunden ausgewertet. Auch in der Nähe des Wohnhauses von Sergej Skripal hatten sich die beiden Männer demnach aufgehalten. In ihrem Hotelzimmer fanden sich Spuren des Nervengifts.

          Die britische Premierministerin Theresa May erklärte anschließend vor dem Parlament, dass es sich bei den Verdächtigen um russische Agenten des Militärgeheimdienstes GRU handeln soll.

          (dpa/AFP)

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