Aufklärung unerwünscht
- -Aktualisiert am
Am Haus des Innenministers: Demonstranten, darunter viele Angehörige von Opfern der Explosion im Hafen, am 13. Juli in Beirut Bild: AP
Ein Jahr nach der Explosion im Hafen von Beirut hält Libanons politische Klasse zusammen: Niemand soll erfahren, wie es zu dem Desaster kam. Unterdessen türmt sich die nächste Katastrophe auf – Tag für Tag.
Die Zeit hat nur die Schnittwunde in seinem Gesicht verheilen lassen. Die gezackte Narbe auf der linken Wange schimmert rötlich. Sie ist ein Brandzeichen des Unglücks. Sie wird weiter schmerzen, weil sie Paul Naggear sein Leben lang an den 4. August 2020 erinnern wird, als die Druckwelle einer monströsen Explosion im Hafen von Beirut durch die Straßen seines Viertels fegte, die Fensterscheiben seiner Wohnung zerbersten ließ, seine Ehefrau Tracy und seine dreieinhalb Jahre alte Tochter Alexandra wie Puppen durch den Raum schleuderte. An die Stunden der Panik, an eine surreale Irrfahrt durch das Inferno. An den Tod des kleinen Mädchens, das den Verletzungen an ihrem Gehirn erlag. „Nichts ist in Ordnung“, sagt Paul Naggear ein Jahr später.
Zeit, um zu trauern, um das Trauma zu bewältigen und das Unfassbare zu begreifen, hat er sich kaum genommen, kaum nehmen können. Noch immer dominieren Wut und Ohnmacht. Zusammen mit anderen Angehörigen der Opfer kämpft er dafür, die Schuldigen an der Katastrophe zur Rechenschaft zu ziehen. Bislang vergeblich. Er muss seine Agentur, die Innovationen im Libanon fördert, über Wasser halten. Wie seine Landsleute muss er einen Alltag bewältigen, in dem eine Zumutung die nächste jagt, ein Schock den anderen.
Zugang zu allen exklusiven F+Artikeln
2,95 € / Woche
- Alle wichtigen Hintergründe zu den aktuellen Entwicklungen
- Mehr als 1.000 F+Artikel mtl.
- Mit einem Klick online kündbar
Login für Digital-Abonnenten
Sie haben Zugriff mit Ihrem F+ oder F.A.Z. Digital-Abo