Ewa Kopacz : Tusks getreue Nachfolgerin
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Graue Maus? Ewa Kopacz Bild: AP
An diesem Donnerstag scheidet der polnische Ministerpräsident Tusk aus dem Amt, um nach Brüssel zu wechseln. Voraussichtlich wird er Ewa Kopacz als Nachfolgerin vorschlagen. Manche sehen in ihr nichts als eine graue Maus, andere eine polnische Angela Merkel.
Über Ewa Kopacz, die wohl noch in diesem Monat den nach Brüssel aufbrechenden Donald Tusk an der Spitze der polnischen Regierung ablösen wird, gibt es zwei gegensätzliche Erzählungen. Die eine hat ein Fachmann fürs Erzählen vorgetragen, der Regisseur Andrzej Saramonowicz: Wenn er einen Film mit dem Titel „Die Ministerpräsidentin“ drehen sollte, käme Kopacz für die Hauptrolle nicht in Frage. „Kein Charisma, keine Grazie.“ Bei so einer Besetzung sei nur eines sicher: leere Kinos.

Politischer Korrespondent der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung in Berlin.
Mehr Sinn für die Seifenoper hat der Happening-Politiker Janusz Palikot gezeigt. Lange hat er wie Kopacz zu Tusks liberalkonservativer „Bürgerplattform“ gehört, und nach seinem geräuschvollen Abschied aus der Partei hat er ein Buch über deren Inneres geschrieben. „Eine standhafte, charaktervolle, manchmal hysterische Frau“ heißt es da über Kopacz. „Mehr als einmal war ich dabei, wenn sie in Rage geriet. Und wenn ich Donald (Tusk) jemals wirklich außer Fassung gesehen habe, dann war es ihretwegen“. Einmal, als Tusk einen ihrer Mitarbeiter entlassen wollte, sei Kopacz türenschlagend aus seinem Büro gerauscht, und der Chef habe ihr hinterhergebrüllt: „Gut, dann bist du gefeuert! Das reicht!“ Tags danach hätten sie sich auf einen Kaffee getroffen, und alles sei wieder gut gewesen.
Es gibt mehrere Gründe dafür, dass Kopacz, seit 2007 Gesundheitsministerin und seit 2011 Sejmmarschallin, also Parlamentspräsidentin, bei Tusk, wie Palikot sich ausdrückt, einen „Ermäßigungstarif“ genießt. Sie hat anders als er nie nach eigener Macht in seiner Partei gesucht, und sie hat als sein „Minenhund“ immer wieder an der Front gestanden, wenn es galt, Gegner zu bekämpfen oder Ideen auszuprobieren. Vor allem aber hat sie als Ärztin und Beamtin im Gesundheitsdienst schon vor der gemeinsamen Regierungszeit ein persönliches Verhältnis zu Tusk entwickelt, als sie half, seiner kranken Schwester im chaotischen polnischen Krankenhauswesen eine passable Behandlung zu sichern. Jetzt hat Tusk sie zu seiner Nachfolgerin bestimmt.
Eine fast sichere Sache
Der Fahrplan steht. Für den Dienstag wurde erwartet, dass der scheidende Regierungschef den Staatspräsidenten Bronislaw Komorowski um seine Entlassung bitten wird; an diesem Donnerstag wird dieser wohl der Bitte stattgeben. Danach hat das Staatsoberhaupt zwei Wochen Zeit, dem Parlament einen neuen Ministerpräsidenten vorzuschlagen, und er hat schon angekündigt, dass er dem Wunsch der Regierungskoalition aus Bürgerplattform und Bauernpartei entsprechen und Kopacz ernennen werde.
Sie wird dann abermals zwei Wochen Zeit haben, sich um ein Vertrauensvotum des Parlaments zu bemühen, und weil die Koalition steht, spricht alles dafür, dass das gelingen wird. Gegenwärtig sieht es danach aus, dass Ewa Kopacz noch im September an die Spitze der Regierung tritt.
Auffällig unauffällig
Geboren im Jahr 1956 als Tochter einer Schneiderin und eines Schlossers, ist Kopacz in der kleinen Industriestadt Radom südlich von Warschau aufgewachsen. Das Auffälligste an ihrem Lebenslauf ist dabei dessen Unauffälligkeit. Anders als bei den früheren Regierungschefs und Staatspräsidenten der Nachwendezeit ist ihre Biographie kaum geprägt vom Kampf des demokratischen Untergrunds gegen die kommunistische Macht in Zeiten der Gewerkschaft „Solidarność“ vor der Wende.
Anders als Komorowski oder der nationalkonservative frühere Präsident Lech Kaczynski ist sie damals nicht interniert worden, und sie hat auch nicht wie Tusk eine Untergrundzeitschrift geführt. Ebenso wenig ist sie, wie etwa Aleksander Kwasniewski, Komorowskis Vorvorgänger als Präsident, in der kommunistischen Partei groß geworden. Ihr Amtsantritt ist damit eine Zäsur: Hier kommt eine Frau, deren politische Laufbahn fast frei ist von der Last und dem Pathos der „alten Zeit“ – jemand, der politisch im neuen, postkommunistischen Polen geprägt worden ist.