Vor erstem Besuch bei Merkel : Polnische Regierungschefin fordert Kurswechsel in Flüchtlingspolitik
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Beata Szydlo, polnische Regierungschefin Bild: AFP
Das klingt nicht nach einem besonders harmonischen Treffen: Vor ihrem Antrittsbesuch steckt Polens Ministerpräsidentin Szydlo ihre Ansprüche ab und spart nicht mit Kritik.
Polens Ministerpräsidentin Beata Szydlo hat in der Flüchtlingskrise ein Umdenken gefordert. „Es zeigt sich, dass der eingeschlagene Weg nicht weiterführt. Wir brauchen eine Kehrtwende“, sagte sie vor ihrem Antrittsbesuch am heutigen Freitag in Berlin der „Bild“-Zeitung. Die Gefahr, die von der Einwanderungswelle ausgehe, sei unterschätzt und es seien Fehler gemacht worden. „Die Lage an den Außengrenzen der EU und auch in Deutschland ist außer Kontrolle geraten.“
Eine Schwächung Deutschlands mache auch Europa instabiler, sagte Szydlo. Sie bekräftigte, dass sich Polen an die Absprachen der Vorgängerregierung halten werde. Diese hatte die Aufnahme von rund 7000 Flüchtligen zugesagt. Polen gehört neben Ungarn, Tschechien und der Slowakei zu den osteuropäischen Ländern, die sich gegen die von den EU-Innenministern beschlossenen Quoten zur Verteilung von Flüchtlingen in den 28 EU-Staaten wehren. In diesem Jahr will Polen 400 syrische Flüchtlinge aufnehmen.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) empfängt Szydlo gegen Mittag mit militärischen Ehren im Kanzleramt. Bei dem Treffen stehen die beiderseitigen Beziehungen, internationale Themen und die geplanten Feierlichkeiten zum 25. Jahrestag des deutsch-polnischen Freundschaftsvertrags auf der Tagesordnung. Szydlo gehört der nationalkonservativen und euroskeptischen Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) an und ist seit Oktober im Amt. Der Kurs ihrer Regierung stößt in vielen Ländern auf Kritik.
Szydlo trifft Merkel : Besuch der polnischen Ministerpräsidentin in Berlin
Forderung nach mehr Solidarität
Von Deutschland forderte Szydlo mehr Hilfe, um polnische Interessen in der EU zu berücksichtigen. Der Nachbar sei für Polen ein wichtiger und enger Partner in Europa. „Aber wir würden uns wünschen, dass manche Entscheidungen nicht einfach über unseren Kopf hinweg getroffen werden.“ Hier nannte sie als Beispiel das Gaspipeline-Projekt Nord Stream II von Russland nach Deutschland. Mit der Umgehung von Polen habe die EU keine Rücksicht auf polnische Interessen genommen. „Da wüssten wir unsere deutschen Partner gern an unserer Seite“, sagte Szydlo. Ähnliches gelte bei der polnischen Minderheit in Deutschland.
Szydlo unterstrich die Forderung Polens, Nato-Truppen auch in ihrem Land zu stationieren: „Das ist eine Frage der Gleichbehandlung gegenüber anderen Staaten Europas.“ Polen habe eine direkte Grenze zu Russland. „Und die Erfahrung in der Ukraine zeigt: Das Gefühl der Bedrohung, das viele Polen spüren, ist nicht aus der Luft gegriffen, sondern sehr real.“ Sie wünsche sich „die Solidarität der EU und der Nato“.
Umstrittene Reformen verteidigt
Szydlos Partei PiS verdrängte bei der Parlamentswahl im Oktober die liberale Bürgerplattform (PO) von der Regierung. Die deutsch-polnischen Beziehungen sind seitdem schwieriger geworden. Ein neues Gesetz erlaubt es Polens Regierung, über Führungsposten in den öffentlich-rechtlichen Medien zu entscheiden. Gegner sehen dadurch die Pressefreiheit in Gefahr. Sie befürchten zudem, dass geänderte Regeln für das Verfassungsgericht die Gewaltenteilung im Land bedrohen. Die EU-Kommission prüft, ob die Beschlüsse in Polen gegen Europas rechtsstaatliche Grundsätze verstoßen.
Szydlo verteidigte die umstrittenen Reformen. Die Prüfungen durch das Europäische Parlament und die zuständige Kommission des Europarates würden ergeben, „dass unser Gesetz zum Verfassungsgericht das Unrecht unserer Vorgänger repariert. Und dass unser neues Medienrecht keineswegs gegen EU-Standards verstößt.“