Ukraine : Die Extremisten vom Majdan
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Dmitri Jarosch, der Führer des Rechten Sektors, während seiner Rede auf dem Unabhängigkeitsplatz Bild: dpa
Die Paramilitärs des Rechten Sektors haben das Protestlager in Kiew gegen das Regime verteidigt – nun fordern sie politischen Einfluss. Wofür stehen die Politaktivisten?
Der Taxiunternehmer Michail, der das Zeltlager des sogenannten Rechten Sektors auf dem Lemberger Majdan bewacht, ist ein typischer Vertreter der rechtsextremen Einsatztruppe, die seit Wochen die Barrikaden in der Hauptstadt bis aufs Blut verteidigt. Wie die meisten seiner Mitstreiter ist der kurzrasierte Mann Mitte dreißig und hat in der Armee gedient, bevor er sich selbständig machte. Nun steht er schwarz gekleidet und mit grimmigem Blick vor dem Metallgitter des Zeltlagers. Er soll Provokateure abschrecken. Auf Fragen antwortet er aber freundlich. Erst als das Gesicht von Vitali Klitschko auf der großen Leinwand weiter hinten erscheint, winkt er verächtlich ab. „Wo war denn dieser deutsche Boxer Klitschko, als die Schüsse fielen?“ Dmitrij Jarosch, der sei dagegen ein echter Patriot. Der Anführer des Rechten Sektors würde sterben für sein Land, sagt Michail.
Für die Kämpfer der Truppe, die seit Ende November schwarz maskiert und mit Helmen und Schlagstöcken das Protestzentrum in Kiew verteidigen, war das Abkommen der Oppositionsparteien mit Präsident Viktor Janukowitsch vom Donnerstag von Anfang an ein „falscher Waffenstillstand“. Jarosch, der charismatische Anführer, erklärte umgehend auf seiner Facebook-Seite, dass er sich „mit niemandem auf nichts geeinigt“ habe. Dann hielt er eine Brandrede auf dem Kiewer Majdan und schwor seine Anhänger darauf ein, den Platz unter keinen Umständen zu räumen, solange Janukowitsch nicht zurückgetreten sei. Der 42 Jahre alte Politaktivist erhielt dafür mehr Applaus als Vitali Klitschko, der zur Besonnenheit aufrief – und wegen seines Handschlags mit dem Präsidenten von Jaroschs Männern ausgebuht wurde.
Als Nationalheld verehrt und als Nazi-Kollaborateur verachtet
Der Rechte Sektor ist ein Phänomen der vergangenen Protestwochen, seine Gründer prägen die rechte Szene der Ukraine allerdings schon seit Jahren. Offiziell wurde der paramilitärisch organisierte Zusammenschluss von mehreren nationalistischen und rechtsextremen Splittergruppen am 30. November besiegelt. Zuvor war es zu den ersten Ausschreitungen auf dem – bis dahin weitgehend friedlichen – Demonstrationsplatz in der ukrainischen Hauptstadt gekommen, auf dem Tausende gegen Janukowitschs jähe Abkehr von der EU-Integration protestiert hatten. Obwohl die Männer des Rechten Sektors, wie Jarosch in einem Interview betonte, keine Unterstützer wie auch immer gearteter Integrationsprozesse seien, hätten sie sich entschlossen, die „Aktionen revolutionär gesinnter Gruppen zu koordinieren“.
Die Nationalisten haben genug von dem aus der Sowjetunion überkommenen Staatsapparat mit seinen korrupten Eliten. Darin besteht ihre wesentliche Gemeinsamkeit mit den anderen Protestierenden. Michail etwa klagt ausgiebig über die Alltagskorruption, über den ganzen Ärger, den seine Taxifahrer mit der Polizei hätten. Würde sich daran etwas ändern, wenn sich die Ukraine an die EU annähern würde? Michail schüttelt den Kopf. „Wir wollen endlich ein unabhängiges Land sein.“ Die Ukraine sei doch immer nur ein Brückenkopf gewesen, ein Aufmarschgebiet für Ost und West. Und was sollen die in Brüssel mit 45 Millionen Hungerleidern?
Aus Sicht der Leute des Rechten Sektors geht alles Übel im Land von der Partei der Regionen und der Kommunistischen Partei aus. Die Regierungspartei sei das Rückgrat des kriminellen oligarchischen Regimes, schreibt Jarosch auf seiner Facebook-Seite. Die Kommunistische Partei sei Nachfolger der bolschewistischen Invasoren, mit anderen Worten – Sowjetrusslands. Der Wortführer der Bewegung ist seit den frühen neunziger Jahren politisch aktiv. 1994 hat er eine Organisation namens „Trisub“ ins Leben gerufen, die sich der Verteidigung des ukrainischen Nationalismus und dem Kult um den Partisanenführer Stepan Bandera verschrieben hat. In nationalistischen Kreisen, besonders in der Westukraine, wird Bandera, der im Zweiten Weltkrieg sowohl gegen die deutschen als auch gegen die sowjetischen Besatzer kämpfte, als Nationalheld verehrt. Der Osten des Landes verachtet ihn als Nazi-Kollaborateur und Banditen.