Korruptionsskandal : EU ist „zunehmend besorgt“ über Türkei
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Mit Gummigeschossen geht ein Sicherheitsbeamter gegen die Protestierenden vor. Passanten sehen der Straßenszene eher erschrocken zu. Bild: REUTERS
In Istanbul hat die Polizei Wasserwerfer und Tränengas gegen Demonstranten eingesetzt, die in Sprechchören den Rücktritt der Regierung forderten. Die EU-Kommission sieht die Entwicklung in dem Land mit Sorge.
Die EU-Kommission verfolgt die Entwicklung in der Türkei „mit zunehmender Besorgnis“. In einer Erklärung vom Freitag erinnerte der für die EU-Beitrittsverhandlungen mit Ankara zuständige EU-Kommissar Stefan Füle die Türkei an ihre Pflichten als Beitrittskandidat und forderte die Regierung auf, „alle nötigen Schritte zu unternehmen, damit die Vorwürfe von Rechtsverletzungen ohne Benachteiligung oder Bevorzugung transparent und unparteiisch aufgeklärt werden“.
Die von der Regierung beschlossenen Änderungen der Polizeiarbeit hätten „die Unabhängigkeit der Justiz und deren Handlungsfähigkeit untergraben“, heißt es in der Erklärung. Füle schreibt, er begrüße, dass der Staatsrat die Maßnahmen ausgesetzt habe und hoffe auf eine baldige endgültige Entscheidung. Füle bekräftigte, die Justiz müsse unabhängig arbeiten können. Er sei über die Amtsenthebungen einer größeren Zahl von Polizisten besorgt.
„Überall ist Taksim, überall ist Widerstand“
Am Abend ging die Polizei mit Härte gegen regierungskritische Demonstranten im Zentrum von Istanbul vor. Die Sicherheitskräfte setzten schon vor dem geplanten Beginn der Demonstration Wasserwerfer, Tränengas und Plastikgeschosse ein. Die nach Schätzungen von Augenzeugen mindestens 1000 Demonstranten forderten in Sprechchören den Rücktritt der Regierung. Sie skandierten außerdem wie bereits bei den Protesten im Sommer: „Überall ist Taksim, überall ist Widerstand.“
Die Regierungsgegner hatten wegen des Korruptionsskandals zu einer Demonstration auf dem Taksim-Platz aufgerufen, den die Polizei weitgehend abriegelte. Auf der dorthin führenden Einkaufsmeile Istiklal Caddesi ging die Polizei gegen Gruppen von Demonstranten vor und verfolgte sie in Seitengassen. Vereinzelte Protestierer bewarfen die Wasserwerfer mit Steinen und errichteten Barrikaden. Auch aus Ankara und Izmir wurden Proteste gemeldet. Unterdessen wurde Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan am Freitagabend von Tausenden Unterstützern am Flughafen in Istanbul empfangen.
Das oberste Verwaltungsgericht kippte am Freitag nach einem Bericht der Zeitung „Hürriyet Daily News“ einen Erlass der Regierung, mit dem Ermittler dazu gezwungen werden sollten, Vorgesetzte über ihre Untersuchungen zu informieren. Der Erlass war eine Reaktion auf die jüngsten Korruptionsermittlungen, von denen die Regierung überrascht worden war. Der Skandal erschüttert die Türkei seit zehn Tagen und hat zu einer umfangreichen Umbildung des Kabinetts geführt. Bei den Ermittlungen geht es unter anderem darum, ob gegen Schmiergeld illegale Baugenehmigungen erteilt und Handelssanktionen gegen Iran unterlaufen wurden.