Türkei : Erdogan zürnt der italienischen Justiz
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Verteidiger des Rechtsstaats? Der türkische Präsident Erdogan im August in Ankara. Bild: AFP
Die italienischen Richter sollten sich mit der Mafia befassen und nicht mit Ermittlungen gegen seinen Sohn, findet der türkische Präsident Erdogan. Dabei geht es auch um Verbindungen zum IS.
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan schimpft nun auch auf Italien. In einem Fernsehgespräch mit RaiNews24 warf er nicht nur dem Westen Einmischung beim gescheiterten Putsch gegen seine Regierung vor. Besonders zornig ist Erdogan auf Roms Justizsystem: „Die italienischen Richter sollten sich mit der Mafia befassen und nicht mit meinem Sohn“, sagte er.
Würde Bilal Erdogan „heute nach Italien zurückkehren, würde er womöglich gar festgenommen werden“, empörte der Präsident sich: „Das soll Rechtsstaatlichkeit sein?“ Das Verfahren gegen seinen Sohn könnte „die bilateralen Beziehungen in Schwierigkeiten bringen“, drohte Erdogan schließlich. Ministerpräsident Matteo Renzi twitterte nur kalt zurück: „In diesem Land folgen die Richter dem Gesetz und Italiens Verfassung, nicht aber dem türkischen Präsidenten. Das nennt man Rechtsstaatlichkeit.“
Spezialisiert auf Wirtschaftsverbrechen
Tatsächlich wird seit Februar in Bologna gegen den mit 35 Jahren ältesten Sohn des Präsidenten wegen des Vorwurfs der Geldwäsche ermittelt. Der Präsidentensohn war offiziell im September 2015 mit Ehefrau und Kindern sowie einigen Leibwächtern in Italien eingereist, um seine politologische Dissertation an der Johns Hopkins University zu beenden, die er 2007 in den Vereinigten Staaten begonnen hatte. Erdogan bezog damals eine Wohnung in der Altstadt. Er erregte die Gemüter, weil Ankara für seinen Schutz zusätzlich italienische Sicherheitskräfte anforderte.
Wenig später ging bei Bolognas Staatsanwaltschaft über die angesehene Anwaltspraxis Massimiliano Annetta, spezialisiert auf Wirtschaftsverbrechen, eine Anzeige gegen Bilal Erdogan ein. Sie ging von dem türkischen, im Pariser Exil lebenden Industriellen Murat Hakan Uzan aus, der Bilal Erdogan vorwirft, sich mit dem Familienvermögen nach Italien abgesetzt zu haben, um dort das durch Korruption ergaunerte Geld reinzuwaschen. Die Justiz sah genügend Anhaltspunkte, um diesen Vorwürfen nachzugehen.
Dem knapp 50 Jahre alten Unternehmer Uzan, der 2002 mit der populistisch-nationalistischen Genc-Partei gegen Erdogans AKP in die Opposition ging, gehörten nach eigener Aussage einst fast 300 Firmen mit 40.000 Angestellten. Doch dann habe sich der Erdogan-Clan an diesen Firmen in einer Hetzjagd mit Sondergesetzen, illegalen Konfiszierungen und Verstößen gegen Menschenrechtskonventionen bereichert, behauptet Uzan. Andernorts heißt es freilich, das Uzan-Imperium habe sich durch zwielichtige Beteiligungen und Verstöße gegen das Aktienrecht selbst zu Grunde gerichtet. Bilal Erdogan trifft aber noch ein zweiter Vorwurf. Syriens Informationsminister Omran Achmed al Zoubi wirft ihm vor, sein Transportunternehmen handle mit Öl und anderen Rohstoffen von der Terrororganisation „Islamischer Staat“. Fürs erste bleibt Bilal Erdogan in Anatolien, um dem Verfahren in Bologna zu entgehen.