Spanien : Katalonien verzichtet auf Referendum über Unabhängigkeit
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„Wir wollen abstimmen“: Kataloniens Regionalpräsident Artur Mas im Europawahlkampf im Mai Bild: AFP
Eine Volksbefragung über eine Abspaltung wie in Schottland wird es in Katalonien vorerst nicht geben. Unter Druck aus Madrid hat die Regionalregierung ihre Pläne geändert. Ministerpräsident Artur Mas setzt nun auf vorgezogene Wahlen.
Nach dem Verzicht auf das vom spanischen Verfassungsgericht verbotene Unabhängigkeitsreferendum in der Region Katalonien hat Ministerpräsident Artur Mas am Dienstag in Barcelona Pläne für eine unverbindliche Ersatzbefragung der Bevölkerung am 9. November angekündigt. Zugleich ließ er erkennen, dass er jetzt auf vorgezogene Regionalwahlen zusteuert, und sagte: „Plebiszitäre Wahlen werden das endgültige Referendum sein.“ Der Ministerpräsident muss den Termin dafür festsetzen.
Zuvor war in der Nacht zum Dienstag nach stundenlangen Verhandlungen der separatistischen katalanischen Parteien, darunter die linksnationalistische Esquerra Republicana (ERC) als treibende Kraft für einen Bruch mit Spanien, der bisherige politische Konsens über den Weg zu einer Unabhängigkeit zerbrochen. Der Regierungschef gestand ein, dass er nach dem Suspensionsentscheid des Verfassungsgerichts das Referendum nicht im legalen Rahmen abhalten könne, und sagte es ab. Daraufhin zeigte sich die Partnerpartei ERC, welche Mas’ Minderheitsregierung seit zwei Jahren im Parlament stützt, „enttäuscht“. Ihr Vorsitzender Oriol Junqueras forderte sogar, in dieser Lage eine „einseitige Unabhängigkeitserklärung“ der Region zu beschließen, was Mas ablehnte.
„Der Gegner ist der spanische Staat“
Mas suchte schließlich einen halbwegs gesichtswahrenden Ausweg und versicherte am Dienstag, dass es am 9. November trotz allem „Wahllokale, Urnen und Stimmzettel“ geben werde. Seine Regierung werde sich im Rahmen ihrer Kompetenzen für ein anderes Format einer Volksbefragung entscheiden. Auf die Frage, was geschehe, wenn das Verfassungsgericht auch diese Variante untersage, hatte er keine Antwort. Er wollte auch keine Einzelheiten über das genaue Verfahren nennen, um „dem Gegner keine Hinweise zu geben“. Dieser Gegner, so stellte er klar, „ist der spanische Staat“.
Seine Partnerpartei ERC lehnt aber die Ersatzbefragung ab, so dass Mas um den Fortbestand seiner fragilen Regierung fürchten muss. Sogar der katalanische Haushalt für das Jahr 2015 steht in Frage. Daher warb er als zweiten Schritt für vorgezogene Wahlen. Mas sagte: „Die endgültige Befragung mit vollen Garantien kann nur über Wahlen abgehalten werden, welche die Parteien mit einer gemeinsamen Liste und einem gemeinsamen Programm in ein De-facto-Referendum verwandeln.“
Diese Strategie verspricht indes für Mas, der schon vor zwei Jahren bei vorgezogenen Wahlen seine Mehrheit verlor und seitdem von der in Sachen Unabhängigkeit noch radikaleren ERC abhängt, auch nur wenig Gewinn. Nach den jüngsten Erhebungen müsste seine CiU-Partei mit herben Verlusten rechnen, während Esquerra Republicana stärkste Kraft in der Region zu werden verspricht.
So stellt sich schon jetzt die Frage, ob die mit nahezu sechzig Milliarden Euro am höchsten verschuldete Region Spaniens künftig überhaupt regierbar ist. In- und ausländische Investoren sowie die großen amerikanischen Ratingagenturen haben schon vor der zunehmenden Instabilität Kataloniens gewarnt.
Im Zusammenhang mit dem Korruptionsfall Pujol - der ehemalige Ministerpräsident und Mentor von Mas, Jordi Pujol, hat unlängst zugegeben, jahrzehntelang ein unversteuertes Vermögen in Andorra versteckt zu haben - ist derweil der Verdacht laut geworden, dass vorgezogene Wahlen noch andere Gründe haben könnten. Sollte nämlich das Parlament demnächst aufgelöst werden, würde so schnell auch kein Untersuchungsausschuss eingesetzt, der das Ausmaß, die Hintergründe und eventuell andere in die Affäre verwickelte Politiker ergründen könnte.
Rajoy: „Ausgezeichnete Nachricht“
Kurz vor Mas’ Auftritt am Dienstagvormittag in Barcelona hatte in Madrid Ministerpräsident Mariano Rajoy sichtlich erleichtert, aber etwas voreilig gesagt, dass der Verzicht auf das verbotene Referendum eine „ausgezeichnete Nachricht“ sei. Er bot der katalanischen Regierung zugleich einen inhaltlich noch nicht näher spezifizierten „Dialog“ an und sagte, er sei bereit, „im Rahmen der geltenden Gesetze über alles zu sprechen“. Später wurde indes insbesondere in Rajoys konservativer Volkspartei Kritik am Mas’ „absurdem“ Ersatzplan und seinem „feindseligen Ton“ laut. Justizminister Rafael Catalá sagte dazu nur, dass die Zentralregierung die neue Initiative aus Barcelona prüfen und gegebenenfalls noch einmal beim Verfassungsgericht dagegen vorgehen werde.