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Krieg in der Ostukraine : Wer bricht den Waffenstillstand?

Ein prorussischer Separatist steht Anfang Juni 2016 vor den Ruinen des internationalen Flughafens von Donezk. Bild: AFP

Artilleriegefechte, verbotene Waffen, nahezu täglich Tote und Verletzte. FAZ.NET hat die Protokolle der OSZE-Beobachter im Donbass über 100 Tage ausgewertet. Sie zeigen: Die Waffenruhe in der Ostukraine ist eine Farce.

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          Seit Beginn des Krieges zwischen ukrainischen Streitkräften und prorussischen Milizen im ostukrainischen Kohle- und Stahlrevier Donbass sind nach Auskunft der Vereinten Nationen mehr als 9500 Menschen getötet worden, mehr als 22.000 wurden verletzt – und das, obwohl die Kriegsparteien unter Vermittlung der OSZE schon am 5. September 2014 in der weißrussischen Hauptstadt Minsk einen Waffenstillstand unterzeichnet haben. Das „Minsker Protokoll“ („Minsk 1“) ist seither mehrmals bekräftigt worden, unter anderem am 12. Februar 2015 von den Präsidenten Frankreichs, Russlands und der Ukraine sowie der deutschen Bundeskanzlerin („Minsker Maßnahmenpaket“ oder „Minsk 2“).

          Konrad Schuller
          Politischer Korrespondent der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung in Berlin.

          Dennoch hat der Krieg nie aufgehört. Es gab ruhigere Perioden, in denen die täglichen Verluste gering blieben. Doch sie wurden immer wieder von blutigen Eskalationsphasen abgelöst. Jedes Mal haben Russland, das die prorussischen Milizen massiv unterstützt, und die Ukraine einander die Schuld zugeschoben. Das ist bis heute so. Immer noch detonieren rund um Donezk, die umkämpfte Metropole der prorussischen Kämpfer, jeden Tag Hunderte, manchmal Tausende von Geschossen. Immer noch sterben fast täglich Soldaten und Zivilisten.

          Ein Überblick

          FAZ.NET hat das Kriegsgeschehen vom 16. April bis zum 31. Juli 2016 ausgewertet und zu erkennen versucht, ob eine Seite an dieser Tragödie mehr Schuld trägt als die andere. Die Redaktion hat dazu die einzige neutral erscheinende Datenquelle ausgewertet, die vorliegt: die täglichen Berichte der OSZE-Beobachtermission in der Ukraine (SMM), welche seit März 2014 mit mittlerweile knapp 600 unbewaffneten Beobachtern und Beobachterinnen aus 45 Ländern das Kriegsgeschehen verfolgt. In diesen Berichten, die oft hunderte von einzelnen Beobachtungen enthalten, protokollieren die Beobachter Gefechtsgeräusche, sie analysieren Einschusskrater, werten Bilder fest installierter Kameras ebenso aus wie die von Drohnen, und sie stellen Nachforschungen zu getöteten und verletzten Zivilisten an. Die Zeit im Frühjahr und Sommer dieses Jahres wählte die Redaktion, um einerseits ein aktuelles Bild möglichst nahe an der Gegenwart zu erhalten, und um andererseits mit mehr als 100 Tagen eine Datenbasis zu schaffen, die Schwankungen abbildet und so nicht Gefahr läuft, rein zufällig nur eine besonders aktive oder ruhige Phase auszuwerten.

          Militärische Verluste der Konfliktparteien protokolliert die OSZE-Beobachtermission nicht systematisch. Darum hat die Redaktion hierzu stattdessen auf die offiziellen Selbstauskünfte der ukrainischen Streitkräfte sowie der separatistischen „Volksrepubliken“ von Donezk und Luhansk zurückgegriffen, die sich auf den Zeitraum vom 16. April bis 29. Juli beziehen. Wohl wissend, dass die Angaben interessengeleitet und dementsprechend unvollständig sein können.

          Die Untersuchung ergibt dabei folgendes Bild: Die permanente Verletzung der Waffenruhe im Donbass erfolgt sowohl durch die ukrainischen Streitkräfte wie auch durch die prorussischen Milizen der „Volksrepublik Donezk“ („DPR“) und der „Volksrepublik Luhansk“ („LPR“), die gemeinsam veranschlagt werden. Die Verstöße der prorussischen Rebellen überwiegen.

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