Frankreichs neue Regierung : Viel Lärm um wenig und eine Surprise
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Hollandes neuer Mann für die Wirtschaft: Emmanuel Macron Bild: picture alliance / dpa
Im neuen französischen Kabinett werden nur drei Ministerposten neu besetzt. Aber eine Überraschung ist dennoch dabei.
Die neue Regierung Frankreichs ähnelt der alten, weil sich die Neubesetzungen in Grenzen halten, doch gleichzeitig ist sie jünger und weiblicher. Nach intensiven Gesprächen am Montag und Dienstag hat der Generalsekretär des Elysée-Palastes, Jean-Pierre Jouyet, am Dienstagabend die neuen Minister bekanntgegeben, auf die sich Präsident François Hollande und sein Premierminister Manuel Valls geeinigt haben.
Eine große Überraschung enthält die Dreierliste der neuen Minister aber dennoch: Nachfolger des entlassenen Wirtschaftsministers Arnaud Montebourg wird der 36 Jahre alte Emmanuel Macron, der bis zum Juni stellvertretender Generalsekretär des Elysée-Palastes war, Der Franzose arbeitete jahrelang bei der Bank Rothschild, bevor er in die Politik einstieg. Er wird künftig das Wirtschafts- und Finanzministerium gemeinsam mit Finanzminister Michel Sapin leiten, der sein Amt behält. Die Berufung des früheren Bankiers rief in Frankreich im linken Lager viel Kritik hervor, weil Hollande sich im Präsidentschaftswahlkampf 2012 noch zum „Feind der Finanzwelt“ erklärt hatte.
Im Zuge der Neubildung verlassen drei wichtige Minister die Regierung: Neben Montebourg sind das der Erziehungsminister Benoît Hamon und die Kulturministerin Auréli Filippetti. Neue Erziehungsministerin wird die 36 Jahre alte Najat Vallaud-Belkacem, die bisher in der Regierung für Frauenrechte und Sport zuständig war und davor Regierungssprecherin war.
Sie wird sich unter anderem um das heikle Thema der 4,5-Tage-Schulwoche kümmern, mit der die Regierung versucht, die Unterrichtszeiten zu entzerren und auf mehr Tage zu verteilen. Neue Kultusministerin wird Fleur Pellerin, die sich bislang um den Außenhandel gekümmert hatte.
Taubira bleibt im Kabinett
Die resolute Justizministerin Christiane Taubira behält dagegen ihren Posten und widerlegte damit Spekulationen über ihren Abgang. Der Präsident soll sich für sie eingesetzt haben, weil sie im linken Wählerspektrum populär ist. Die in Französisch-Guayana geborene Politikerin setzte mit Verve das Projekt der Homo-Ehen in Frankreich durch und zog sich daher den Zorn konservativ-kirchlicher Kreise zu.
Am Tag nach dem geschlossenen Regierungsrücktritt tobten unterdessen die Debatten innerhalb der sozialistischen Partei. Die Frage, ob die Regierung künftig noch über eine ausreichende Mehrheit in der Nationalversammlung verfügt, stand im Mittelpunkt. Premierminister Valls will im Herbst die Vertrauensfrage stellen, um seine Autorität zu festigen, wie er am Dienstagabend im Fernsehen sagte. Zuvor war es ihm nicht gelungen, wie geplant den einen oder anderen grünen Politiker in die Regierung zu locken, um sich die Stimmen ihrer Gefolgschaft in der Nationalversammlung zu sichern. Nur die mit den Sozialisten sympathisierende Parti Radical de Gauche (PRG), die schon über eine Ministerin und zwei Staatssekretäre verfügt, sagte der Regierung weiterhin ihre Unterstützung zu.
Unmut in der innerparteilichen Opposition?
Auf jeden Abgeordneten kommt es jetzt an, weil die Regierung durch den Abgang von prominenten Linkspolitikern wie Montebourg eine Stärkung der innerparteilichen Opposition befürchtet. Bislang haben die Sozialisten 290 Sitze - genau einen mehr als die absolute Mehrheit. Es fanden sich in jüngerer Vergangenheit allerdings immer Abgeordnete aus nahestehenden Gruppen, um mit den Sozialisten zu stimmen.
Doch in den vergangenen Monaten war der Unmut über Steuersenkungen für die Unternehmen und Kürzungen der Staatsausgaben gewachsen, auch bei den Splittergruppen. Anfang April verweigerten noch elf Sozialisten dem neuen Premierminister Manuel Valls das Vertrauen. Ende April enthielten sich bereits 41 sozialistische Abgeordnete der Stimme, als die Nationalversammlung den Stabilitätspakt genehmigte. Anfang Juli kamen bei der Verabschiedung des Sozialhaushaltes 33 sozialistische Widerständler zusammen - weniger als die Regierung befürchtet hatte. Bei einer offenen Rebellion kann die Exekutive indes immer mit der Parlamentsauflösung drohen. Weil die Sozialisten bei den Wählern zurzeit unbeliebt sind wie selten zuvor, fürchten viele, ihren Sitz in der Nationalversammlung zu verlieren.
Montebourg ohne Mandat in der Nationalversammlung
Am kommenden Wochenende findet in La Rochelle das traditionelle Sommertreffen der sozialistischen Partei statt. Das dürfte den neuen Dissidenten ein Forum für ihre Regierungskritik bieten. Die beiden früheren Minister Hamon und Fillippetti nehmen nun wieder ihre Sitze als Abgeordnete der Nationalversammlung ein, wo sie neue Anhänger suchen werden. Das gleiche wird Montebourg von der Provinz aus versuchen. Mangels eines Mandats in der Nationalversammlung muss er sich vorerst mit seinem Sitz im Departement-Rat von Saône-et-Loire zufriedengeben. Dort bot ihm der Präsident des Departements aber gleich an, seinen Posten zu seinen Gunsten abzutreten.
Montebourg erhielt am Dienstag zudem Zuspruch aus Gewerkschaftskreisen und zum Teil aus der Industrie, weil er sich engagiert für das verarbeitende Gewerbe und seine Initiative „made in France“ eingesetzt hatte. Die sozialistischen Regierungskritiker fordern ein Ende der staatlichen Sparpolitik und neue Steuererleichterungen für Niedrigverdiener.
Die Entlastungen dürften wie bislang nicht nur den Arbeitgebern zukommen, verlangte der Abgeordnete Laurent Baumel, denn die Unternehmen würden ihre Versprechen neuer Arbeitsplätze und Investitionen ohnehin nicht einlösen. Auf der Gegenseite des sozialistischen Spektrums stellten sich Abgeordnete um den Lyoner Bürgermeister Gérard Collomb aber auch hinter Hollande und Valls.