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Frankreich : Führungsmacht

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Seit der Sozialist Hollande zum Präsidenten gewählt wurde, knirscht es laut zwischen Paris und Berlin. Die Bundesregierung steht mit ihrer Strategie zur Lösung der Euro-Krise inzwischen ziemlich allein da.

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          Mit erstauntem Befremden hat die deutsche Öffentlichkeit zur Kenntnis genommen, dass Frau Merkel bei Besuchen in anderen europäischen Staaten inzwischen von Protestmeuten empfangen wird, die Plakate in die Höhe halten, auf denen das Konterfei der Bundeskanzlerin mit einem Hitler-Bärtchen oder mit SS-Insignien verunziert wird. Man kann sich damit trösten, dass dies Exzesse sind, die in aller Regel von links- oder rechtsradikalen Gruppen organisiert werden, also nicht repräsentativ für die Haltung der Bevölkerung seien.

          Aber das ist nicht einmal die halbe Wahrheit. Vor allem im Süden Europas richtet sich der Zorn der Leute über Einschränkungen, die ihnen zur Bewältigung der Schuldenkrise zugemutet werden, nicht nur gegen das Versagen und die Misswirtschaft der eigenen Eliten, sondern auch gegen ein „deutsches Spardiktat“, das Wachstum abwürge und die Arbeitslosigkeit in astronomische Höhen treibt. Offen gesagt: Die Bundesregierung steht mit ihrer Strategie zur Lösung der Krise inzwischen ziemlich allein da; auch die EU-Kommission rückt sichtbar davon ab und verlangt immer lauter, dass den kranken Südländern zumindest mehr Zeit gegeben wird, um ihre Probleme zu lösen. Solange mit Frankreich das zweite Schwergewicht der Eurozone den deutschen Kurs noch mehr oder minder verlässlich mittrug, war das auszuhalten. Aber auch dort wächst der Widerstand angesichts der Misere im eigenen Land immer mehr, und seit der Sozialist Hollande zum Präsidenten gewählt wurde, knirscht es laut zwischen Paris und Berlin.

          Die Sozialistische Partei greift die deutsche Europa-Politik nun erstmals offen und frontal an. Das ist zwar zunächst ein Machtkampf zwischen den Linken in der Partei und dem Präsidenten als Exponenten ihres sozialdemokratischen Flügels, also noch keine Kehrtwende der Regierung. Aber dem glücklos lavierenden Hollande drohen damit Truppen im Parlament von der Fahne zu gehen, die er zum Regieren braucht.

          Anders gesagt: Hollandes Spielraum schrumpft von Tag zu Tag. Weil weiterhin die Parole gilt, Deutschland dürfe sich in Europa nicht isolieren, werden damit auch die Spielräume der Bundesregierung enger. Sie macht jetzt die Erfahrung, dass man die Rolle als Führungsmacht, mit allen Konsequenzen, nicht ablehnen oder wegreden kann, wenn sie von den Fakten bestätigt wird.

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