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Abgehörtes Telefonat mit Ashton : Ein Gespräch, das nichts beweist

Scharfschütze in Kiew am 20.02.2014 Bild: reuters

Das abgehörte Telefonat zwischen der EU-Außenbeauftragten Ashton und dem estnischen Außenminister Paet wird in den russischen Medien genüsslich ausgeschlachtet. Doch einen Beweis für die angebliche Unterstützung des Westens in Kiew gibt es gar nicht her.

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          Als am 20. Februar in Kiew scharf geschossen wurde, überschlugen sich die Nachrichten. Das meiste davon war nicht überprüfbar, vieles blieb ein kurzlebiges Gerücht, manche Gerüchte mutierten den Tag über mehrmals, einiges erwies sich später als falsch. In dem am Donnerstag im Internet veröffentlichten Telefonat sprechen der estnische Außenminister Urmas Paet und die EU-Außenbeauftragte Ashton an jenem Tag über solche Gerüchte.

          Paet gibt darin unter anderem die (inzwischen widerrufene) Vermutung einer bekannten Majdan-Aktivistin wieder, es gebe Heckenschützen, die sowohl auf Polizisten als auch auf Demonstranten schössen, und dass es auch auf Seiten der Opposition Heckenschützen gebe, so dass diese möglicherweise nicht an einer Aufklärung des Geschehens interessiert sein könnte.

          Von den russischen Medien wird das Gespräch nun propagandistisch ausgeschlachtet: Es soll als Beweis dafür dienen, dass in Kiew mit westlicher Unterstützung ein gewaltsamer Putsch stattgefunden habe. Das gibt das Gespräch aber nicht her. Zum einen beweist es gar nichts: Dass sich zwei Menschen über Gerüchte unterhalten, die sie nicht verifizieren können, ist kein Beleg für die Richtigkeit der Gerüchte.

          In großer Sorge

          Zum anderen wird aus der Konversation der beiden Politiker klar, dass sie die Entwicklung mit großer Sorge verfolgen – sie überlegen, wie man auf beiden Seiten mäßigend einwirken könne. Für jemanden, der die Ereignisse im Februar in russisch- und ukrainischsprachigen Medien intensiv verfolgt hat, ist nichts von dem, was Paet und Ashton sagen, neu. Dass auch auf Seiten des Majdans Schusswaffen eingesetzt wurden, ist bekannt.

          Entsprechende Filmaufnahmen waren schon am 20. Februar zu sehen. Belege dafür, dass die Sicherheitskräfte gezielt auf Demonstranten geschossen haben, gibt es massenhaft. Wer den Befehl dazu gegeben hat, ist Gegenstand einer Untersuchung,  zu der auch ausländische Fachleute herangezogen werden sollten. Auch die Frage, ob es wirklich Heckenschützen gegeben hat, die in beide Richtungen schossen, müsste dabei beantwortet werden.

          Kleine Denksportaufgabe

          Das eigentlich interessante am Gespräch Ashtons und Paets ist die Tatsache, dass es an die Öffentlichkeit gelangt ist. Man erinnere sich: Es ist nicht der erste derartige Fall in der Ukraine-Krise. Man muss nicht lange überlegen, um darauf zu kommen, wer es wohl ist, der gezielt Telefonate westlicher Politiker und Diplomaten nicht nur abhört, sondern dann auch mit dem Ziel der Diskreditierung veröffentlicht. In Russland herrscht ein Geheimdienstmann.

          Reinhard Veser
          Redakteur in der Politik.

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