Scheitern mit Ansage
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Ein junger Migrant im April 2016 im Flüchtlingslager Moria auf Lesbos Bild: AFP
Das EU-Türkei-Abkommen sollte das Geschäftsmodell der Schleuser zerschlagen und den Migranten eine Alternative bieten. Doch der Deal funktionierte nicht. Er war von Beginn an nur Theorie.
Der 18. März 2016 sollte die Wende bringen. An jenem Tag unterzeichneten die Europäische Union und die Türkei ein Abkommen, mit dem eine beispiellose Bevölkerungsbewegung in Europa, die Flüchtlings- oder Migrationskrise, unter Kontrolle gebracht werden sollte – bei voller Wahrung des Grundrechts auf Asyl. Verhandlungen darüber hatten schon Ende 2015 begonnen. Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel (CDU) sowie dann auch die niederländische Ratspräsidentschaft im ersten Halbjahr 2016 spielten eine maßgebliche Rolle dabei. Schon im Zuge der Verhandlungen hatten sich einige grundlegende Dinge geändert: So hatte die Türkei ihren Arbeitsmarkt für syrische Flüchtlinge geöffnet, die inoffiziell und oft unter miserablen Bedingungen freilich schon vorher Zugang zu ihm hatten. Auch hatten die Küstenwache und die Polizei in der Türkei ihre Kooperation intensiviert. Zufahrten zu Hafenstädten und ganze Küstengebiete wurden schärfer überwacht, um Boote mit Migranten oder Flüchtlingen möglichst schon zu entdecken, bevor sie überhaupt in See stachen. Die EU wiederum hatte mit der Auszahlung von insgesamt drei Milliarden Euro begonnen, um syrische Flüchtlinge durch verschiedene Projekte direkt in der Türkei zu unterstützen.
Durch das Abkommen, das von Menschenrechtsgruppen und Lobbyorganisationen vom ersten Tag an zum „schmutzigen Deal“ herabgewürdigt wurde, sollten diese Anstrengungen intensiviert und systematisiert werden. Erklärtes Ziel war es, „das Geschäftsmodell der Schleuser zu zerschlagen und den Migranten eine Alternative zu bieten, damit sie nicht ihr Leben aufs Spiel setzen“. Deshalb werde man „irreguläre Migration aus der Türkei in die EU beenden“, lautete die optimistische Ankündigung. Dazu wurde ein Katalog von neun Maßnahmen vereinbart. Der erste Satz des Abkommens klingt brutal, liest man ihn losgelöst vom Rest des Textes: „Alle neuen irregulären Migranten, die ab dem 20. März 2016 von der Türkei auf die griechischen Inseln gelangen, werden in die Türkei rückgeführt.“ Doch sofort danach wird eingeschränkt, dass es keinesfalls eine „Kollektivausweisung“ geben werde. Vielmehr hätten weiterhin alle Menschen, die irregulär, (also mit Booten aus der Türkei), auf den Inseln ankommen, selbstverständlich das Recht, auf Einzelfallprüfung ihres Asylantrags durch die griechischen Behörden in Zusammenarbeit mit dem Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) zu bestehen.
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