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Desinformation aus Russland : „Händewaschen nutzt nichts“

Desinformation über das Corona-Virus kommt oft aus Russland. Bild: EPA

Die EU spürt Desinformationskampagnen nach. Besonders denen aus Russland. Beliebt sind die Behauptungen, Amerika habe das Coronavirus als biologische Waffe entwickelt und Europa sei am Ende.

          3 Min.

          In den vergangenen zwei Monaten hat der Europäische Auswärtige Dienst (EAD) 152 Fälle von Desinformation im Zusammenhang mit dem Coronavirus registriert, die er dem Kreml nahestehenden Quellen zuordnet. Das geht aus dem jüngsten Bericht der sogenannten East Stratcom Taskforce hervor, einer Arbeitsgruppe, die täglich Dutzende Print- und Rundfunkbeiträge sowie Nachrichtenseiten im Internet analysiert, die russischen Ursprungs sind. Ausgewertet wurden Beiträge, die zwischen dem 22. Januar – da war gerade die erste Infektion in Amerika belegt worden – und dem 25. März erschienen sind.

          Thomas Gutschker
          Politischer Korrespondent für die Europäische Union, die Nato und die Benelux-Länder mit Sitz in Brüssel.

          Insgesamt 39 Beiträge enthielten die Behauptung, dass das Virus als biologische Waffe in amerikanischen Labors entwickelt worden sei. In 24 Beiträgen hieß es explizit, dass das Virus als Waffe gegen China eingesetzt worden sei. In 26 Beiträgen wurde das Narrativ verbreitet, dass die EU der Corona-Krise nicht standhalte und zusammenbreche; vor allem im Zusammenhang mit Berichten über russische Hilfe an Italien. Mehrere Beiträge enthielten irreführende Behauptungen zum Gesundheitsschutz. Etwa, dass das Virus verschwindet, wenn man eine Kochsalzlösung inhaliert, oder dass „Händewaschen nichts nutzt“.

          Diese letzte Behauptung wurde vom deutschsprachigen Dienst des staatlichen Nachrichtenportals Sputnik über Facebook und Twitter verbreitet. Auch andere Fälle gehen auf Sputnik zurück, das in etlichen Sprachen präsent ist, auch auf Arabisch. Eine weitere Quelle sind die staatlichen russischen Fernsehsender Kanal eins und Rossija 24 und der Auslandssender RT.

          „Besorgniserregende“ Zahl

          Regelmäßig vertreten sind englischsprachige Internetseiten wie New Eastern Outlook, Oriental Review, South Front und One World Global Think Tank, die nach Angaben des EAD allesamt in Russland ansässig sind und von dort gemanagt werden. Der Dienst spricht immer dann von einem Fall russischer Desinformation, wenn die Botschaft „nachweisbar falsch oder irreführend“ ist und wenn sie aus einer Quelle stammt, die entweder vom Kreml finanziert wird oder einen „klaren Bezug zur Russischen Föderation“ hat.

          Diese Definition ist denkbar weit, was auch zu Kritik führt. Denn nicht immer ist die Einstufung „kremlnah“ evident, mitunter gehören Portale auch Personen, die sich von Putin abgewendet haben, trotzdem aber anti-westlich eingestellt sind. Außerdem wertet der EAD auch eher randständige Quellen aus. Insgesamt verzeichnete der Dienst für die 152 Fälle 264.000 Interaktionen in sozialen Medien, also Weiterempfehlungen, Kommentare und Likes. Er spricht von einer „besorgniserregenden“ Zahl, „insbesondere weil es sich um ein Thema handelt, wo Desinformation lebensgefährliche Folgen haben kann“. Sehr hoch ist die Zahl freilich nicht. Allerdings lässt sich so auch nicht messen, wie oft ein Narrativ von anderen gedankenlos übernommen wird und sich so im Mainstream etablieren kann.

          Klare Absicht

          Ein treffendes Beispiel für das gegen die EU gerichtete Narrativ ist ein Beitrag, der am vorigen Sonntag auf der Internetseite One World erschien. Die „EU ist an ihrem Ende“, stand dort zu lesen, wie das Römische Imperium nach dem Einfall der Vandalen. „Die EU-Staaten sind nicht in der Lage, einander zu helfen, stattdessen bekommen sie Hilfe aus Russland und China.“ Schon vor langer Zeit sei das Gesundheitssystem zusammengebrochen: „Sie haben keine Masken, keine elektronischen Fieberthermometer und haben das Kriegsrecht eingesetzt.“

          Alle Behauptungen sind einseitig, wenn nicht komplett falsch: An Fieberthermometern mangelt es nicht, und der zivile Ausnahmezustand ist in der Regel nicht mit Kriegsrecht identisch. Dass sich die EU-Staaten untereinander nicht halfen, traf am Anfang der Krise zu, inzwischen gibt es aber etliche Beispiele dafür. Die propagandistische Absicht wird spätestens bei der Prognose klar: „Russland und China werden weiter aufsteigen, und mehr und mehr EU-Staaten werden erfahren, dass Brüderlichkeit nicht existiert.“

          Kritik wird umgedreht

          Viele Berichte beziehen sich auf den Ausnahmezustand in EU-Staaten. Der wird nicht als Vorsichtsmaßnahme zum Gesundheitsschutz dargestellt, sondern als Form der Unterdrückung. So war am Mittwoch im englischen Dienst von Sputnik von „autoritären Trends“ zu lesen: „Es hat keinen Streit gegeben. Es hat keine politische Debatte gegeben. Aber der Staat hat gewonnen, und daraus wird alles andere folgen.“ Die Internetseite southfront.org schrieb am Dienstag von einem „großangelegten sozio-kulturellen Experiment, das herausfinden soll, wie viel Repression die Menschen bereit sind zu ertragen“.

          Leicht zu erkennen ist, dass hier westliche Kritik an Russland umgedreht und gegen Europa und Amerika verwendet wird. Nachdem auch der Kreml Einschränkungen angeordnet hat, schwenken staatliche russische Medien schon um. In den Mittelpunkt rücken jetzt Berichte, schreibt der EAD, die Russlands gute Vorbereitung auf den Ausbruch des Coronavirus thematisieren.

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