Euro, Schengen, Einwanderung : So will Juncker die EU umbauen
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Große Pläne: EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker am Mittwoch im EU-Parlament in Straßburg Bild: AP
Ausweitung der Eurozone, nur noch ein EU-Präsidentenamt, ein „Mr. Euro“: Mit seinen Reformplänen rüttelt Kommissionspräsident Juncker die EU auf. Hier sind die wichtigsten Punkte.
In seiner Grundsatzrede hat EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker für weitreichende Reformen in der Europäischen Union geworben. Damit geht er zwar nicht so weit wie der französische Präsident Emmanuel Macron, der einen noch drastischeren Umbau befürwortet; dennoch dürften seine Pläne für Aufsehen sorgen. Die wichtigsten Punkte aus Junckers Rede im Überblick. (Die vollständige Rede lässt sich im Wortlaut hier nachlesen.)
Ausweitung der Eurozone
Bislang wird in 19 der 28 EU-Staaten mit dem Euro bezahlt. Kommissionspräsident Juncker schlägt nun vor, dass alle Länder den Euro übernehmen sollen. Das sei nötig, „wenn wir wollen, dass der Euro den Kontinent eint statt spaltet“. Er schlägt dafür ein „Vorbeitrittsinstrument“ vor, das Ländern technische, manchmal auch finanzielle Hilfen gewähren soll, um sie an den Euro-Beitritt heranzuführen. Die Staaten, in denen der Euro bislang nicht gilt, sind Bulgarien, Dänemark, Großbritannien, Kroatien, Polen, Rumänien, Schweden, Tschechien und Ungarn. Außer Großbritannien und Dänemark sind nach den Europäischen Verträgen alle Länder verpflichtet, die Gemeinschaftswährung einzuführen, sobald sie die Kriterien erfüllen. Als nächster Kandidat gilt Bulgarien.
Erweiterung des Schengen-Raums
Juncker fordert eine schnelle Ausweitung des Schengen-Raums. „Wenn wir den Schutz unserer Außengrenzen verstärken wollen, dann müssen wir Rumänien und Bulgarien unverzüglich den Schengen-Raum öffnen.“ Auch Kroatien will er die volle Schengen-Mitgliedschaft ermöglichen, „sobald es alle Kriterien erfüllt" Im Juni hatte sich auch Bundeskanzlerin Angela Merkel für einen "schnellstmöglichen" Beitritt Bulgariens zur passfreien Zone des Schengen-Raums ausgesprochen. Dagegen gibt es jedoch Vorbehalte bei einzelnen EU-Mitgliedstaaten.
Europäischer Wirtschafts- und Finanzminister
Der französische Präsident Emmanuel Macron hatte einen eigenen Euro-Finanzminister mit eigenem Milliarden-Budget vorgeschlagen. Dazu wäre eine Änderung der Europäischen Verträge notwendig. Das lehnt Juncker ab. Als Kompromiss schlägt er vor, dass der für Währungs- und Wirtschaftsfragen zuständige EU-Kommissar zugleich Chef der Eurogruppe wird – eine Art „Mr. Euro“ ohne neuen Apparat. Dieser würde dann alle Finanzierungsinstrumente der EU koordinieren.
Nur noch ein Präsidentenamt
Künftig soll es nach dem Willen von Juncker nur noch ein EU-Präsidentenamt geben, er will das Amt des Ratspräsidenten mit seinem eigenen des Kommissionspräsidenten verschmelzen und die EU damit effizienter und für die Bürger leichter verständlich machen. Das gehe aber nicht gegen den derzeitigen Ratspräsidenten Donald Tusk. Auch habe er selbst keine Ambitionen auf das neue Amt, betonte Juncker, der 2019 als Präsident der Europäischen Kommission aufhören will.
EU-Arbeitsmarkt-Aufsicht
„Es erscheint absurd, dass eine Bankenaufsichtsbehörde darüber wacht, ob Bankenstandards eingehalten werden, dass es aber keine gemeinsame Arbeitsmarktbehörde gibt, die für Fairness innerhalb des Binnenmarkts sorgt“, sagte Juncker. Deshalb will die EU-Kommission bis Ende 2018 einen offiziellen Vorschlag zur Schaffung einer solchen Aufsicht vorlegen. Sie soll sicherstellen, dass EU-Vorschriften zur Entsendung und Mobilität von Arbeitskräften in Europa eingehalten werden.
Grundsatzrede : Juncker will Euro für alle EU-Staaten
Weitere wirtschaftliche Initiativen
Die EU-Kommission will bis 2019 Freihandelsabkommen mit Australien und Neuseeland abschließen, wie Juncker ankündigte. Die Abkommen sollten dabei unter größtmöglicher Transparenz ausgehandelt werden, nationale und regionale Parlamente vom ersten Tag an umfassend informiert werden. Zudem schlägt die Brüsseler Behörde vor, Investoren aus Drittstaaten künftig genauer unter die Lupe zu nehmen. Damit sollen Übernahmen aus Ländern wie etwa China strenger geprüft werden können. Geplant sind zudem Abwehrmaßnahmen gegen Cyberangriffe, eine Initiative zum Datenaustausch sowie eine Strategie zur Stärkung und Digitalisierung der europäischen Industrie.
Europa offen für Einwanderung
Juncker will die EU weiter für Flüchtlinge offen halten. Dafür will er legale Migrationswege schaffen und die „skandalöse Situation in Flüchtlingslagern in Libyen“ beenden. Europa sei keine Festung, sondern weiterhin ein Kontinent der Hoffnung. Juncker will Flüchtlinge ohne Anspruch auf Asyl aber konsequenter als bisher zurückschicken, damit den wirklich Hilfsbedürftigen geholfen werden könne. Zugleich fordert der Kommissionspräsident mehr Solidarität und finanzielle Hilfe für Afrika.
Keine EU-Mitgliedschaft der Türkei
Juncker sieht keinen baldigen EU-Beitritt der Türkei. Die EU werde in den kommenden Jahren mehr Mitglieder zählen, die Grundlage dafür sei die Rechtsstaatlichkeit, sagte Juncker in seiner Rede. „Das schließt eine Mitgliedschaft der Türkei in absehbarer Zeit aus.“ Die Türkei entferne sich in letzter Zeit mit Riesenschritten von der EU.
„Journalisten gehören in Redaktionsstuben, nicht ins Gefängnis“, sagte Juncker. „Lassen Sie unsere Journalisten frei“, sagte Juncker an die Adresse des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan. Er solle aufhören, europäische Staatschefs als Faschisten und Nazis zu beschimpfen. Wer bewusst beleidige, verbaue sich Wege in die EU, möglicherweise mit Absicht, um der anderen Seite später die Schuld am möglichen Scheitern von Beitrittsverhandlungen geben zu können. „Aber wir werden unsere Hand ausgestreckt behalten für das große türkische Volk.“