Der EU-Gipfel in Brüssel : Der Zusammenhalt stößt an seine Grenzen
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Leichter Gang: Kanzlerin Merkel freut sich über eine „optimistische Stimmung“ auf dem EU-Gipfel. Bild: dpa
Sicherheit und Verteidigung stehen im Zentrum des EU-Gipfels in Brüssel. Die Sanktionen gegen Russland werden verlängert, die Mitgliedsstaaten demonstrieren Einigkeit. Doch nicht nur bei der Migrationskrise gibt es Zwietracht.
Für Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) steht schon vor Beginn des EU-Gipfeltreffens eines fest: Es werde „in optimistischer Stimmung“ stattfinden. Erst redet sie über die günstige Wirtschaftslage, dann über die geplanten Beschlüsse zur Terrorismusbekämpfung und zur EU-Verteidigungspolitik. Dann kommt die Kanzlerin auf den Neuen in der Runde, Frankreichs Staatspräsidenten Emmanuel Macron, sowie „Kreativität und neue Impulse“ aus Paris und Berlin zu sprechen, die „allen gut tun können“. Ob sie damit auch die britische Premierministerin Theresa May meint, bleibt offen. „Für mich hat die Gestaltung der Zukunft der 27 Mitgliedstaaten Vorrang vor den Verhandlungen mit Großbritannien über den Austritt“, sagt Merkel.
Eine Aussprache mit der Premierministerin über den Brexit soll es nicht geben – auch wenn sie am Nachmittag den jüngsten „sehr konstruktiven Start“ der Verhandlungen würdigt. Sie spricht von einer „tiefen und besonderen Partnerschaft mit unseren Freunden und Alliierten“ und macht den 3,2 Millionen in Britannien lebenden EU-Bürgern Hoffnung, ihre „Rechte zu schützen“ – ohne dies weiter auszuführen.
Nachdem May abends aus dem Sitzungssaal hinauskomplimentiert worden ist, kommen die verbliebenen 27 Chefs zur Sache. Es geht um Stand und Perspektiven der Brexit-Gespräche, aber auch um die Auslagerung von zwei derzeit in London ansässigen EU-Agenturen in andere Länder: die EU-Arzneimittelbehörde (EMA) und die Europäische Bankenaufsicht (EBA), die in Frankfurt angesiedelt werden könnte. „Es käme einem Wunder gleich, zwei Agenturen auf 27 Länder zu verteilen“, merkt ein EU-Beamter ironisch an. Am Donnerstag geht es jedoch nur um das Verfahren – eine Entscheidung soll im Oktober fallen.
Macron präsentiert seine wichtigsten Tagesordnungspunkte
Wenig Lust, Tage und Nächte mit Diskussionen über Standorte von Agenturen zu verbringen, verspürt Gipfelnovize Macron. Er lässt auch in Brüssel keinen Zweifel an seiner Absicht, sich nun auf die große Herausforderung – „ein Europa, das beschützt“ – zu konzentrieren. Dann rasselt er die aus seiner Sicht wichtigen Tagesordnungspunkte herunter: Terrorismus, Migration, Klimawandel, ein offenes, aber faires Handelssystem sowie die Feinheiten der EU-Verteidigungspolitik. „All dies sind Fragen, die Europa ausmachen und die Europa in die Lage versetzen sollen, konkrete Antworten auf die Sorgen des Alltags und die Auswüchse der Globalisierung zu geben“, sagt Macron.
Mit Deutschland werde und wolle er „Hand in Hand“ zusammenarbeiten und „mit einer Stimme sprechen“. Dass Macron auch betont, dass dieser Kreis auch anderen Partnern offenstehen solle, unterscheidet sich durchaus von der zuletzt üblichen Pariser Tonlage.
„Ständige Strukturierte Zusammenarbeit“
Spätestens im Dezember, soll eine weitreichende sicherheitspolitische und politische Kooperation Gestalt annehmen, die im EU-Deutsch als „Ständige Strukturierte Zusammenarbeit“ bezeichnet wird und unter den Abkürzungen SSZ oder Pesco firmiert. Ziel ist es, jetzt gemeinsame Kriterien, aber auch konkrete Projekte dafür festzulegen. Einigkeit herrschte im Kreis der EU-Partner, auch wenn nicht unbedingt jeder das gleiche darunter versteht, dass die Ständige Strukturierte Zusammenarbeit „inklusiv und ehrgeizig“ sein soll. In deutschen Regierungskreisen heißt es, die SSZ solle zwar für alle Partner offen sein, was aber nicht heiße, „auf den zu warten, der nicht so weit ist“.