Erklärung von Rom : Ein Kern für Europa
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Juncker wollte, dass die Europäer ihr „Ehegelübde“ noch einmal erneuern, bevor die schwierigen Verhandlungen mit London beginnen. Die Erklärung von Rom nimmt den Abschied der Briten schon vorweg. „Wir, die führenden Vertreter von 27 Mitgliedstaaten und der EU-Organe, sind stolz auf die Errungenschaften der Europäischen Union“ – eigentlich sind es ja 28 Mitglieder, jedenfalls bis Ende März 2019. Erwähnt wird der Brexit mit keinem Wort, und doch ist er allgegenwärtig. Zum Beispiel, wenn von „nie dagewesenen Herausforderungen“ die Rede ist; in Berlin, vor zehn Jahren, waren es noch „große Herausforderungen“.
Globalisierung will niemand im Alleingang bewältigen
Und dann ist da dieser Satz, der mit schneidender Klarheit feststellt: „Einzeln würden wir durch die globale Dynamik an den Rand gedrängt. Zusammenhalt gibt uns die beste Chance, auf diese Dynamik Einfluss zu nehmen und unsere gemeinsamen Interessen und Werte zu verteidigen.“ Man muss das als Antwort lesen auf Theresa Mays Brexit-Rede vom Januar. Da schwärmte sie von einem von allen kontinentalen Zwängen befreiten „wahrhaft globalen Britannien“. Von den verbliebenen Mitgliedstaaten glaubt keiner, dass er die Stürme der Globalisierung im Alleingang bestehen könnte. Die meisten trauen es auch London nicht zu.
Das Brexit-Referendum hat ganz anders gewirkt, als zunächst befürchtet worden war: Es hält die Europäer zusammen, auch jene, die eher am Rande stehen. Kein Land ist bislang aus der Reihe getanzt, um sich in Nebenabsprachen mit London einen Vorteil zu verschaffen. Man geht mit harten Forderungen in die Verhandlungen. Es besteht Einigkeit darüber, dass das Vereinigte Königreich künftig ein „Drittstaat“ sein wird, weiter entfernt vom Binnenmarkt als Norwegen, die Schweiz und sogar die Türkei, die zur Zollunion gehört.
Trump wird nicht erwähnt, ist aber Thema
Die zweite „nie dagewesene Herausforderung“ ist der neue amerikanische Präsident. Donald Trump wird zwar namentlich so wenig erwähnt wie der Brexit, dafür kommen lauter auf ihn gemünzte Begriffe vor. So lehnen die Staaten „Protektionismus“ ab und setzen sich für „freien und fairen Handel ein“. Sie befürworten ein „auf Regeln gestütztes multilaterales System“, einschließlich der Vereinten Nationen.
Das musste man vor zehn Jahren in Berlin nicht einmal erwähnen, es verstand sich von selbst. Außerdem bekennen sich die Staaten nun zur „Stärkung ihrer gemeinsamen Sicherheit und Verteidigung“, sie wollen eine „stärker wettbewerbsfähige und integrierte Verteidigungsindustrie“ schaffen. Trump wirkt dabei wie ein Katalysator: Allen ist klar, auch den Osteuropäern, dass sie ihre Sicherheit nicht mehr an Amerika „outsourcen“ können.
Starke Sätze werden Politik kaum ändern
Freilich lösen sich die innereuropäischen Konflikte nicht einfach so in Luft auf. Am längsten wurde vor Rom über den Abschnitt zur Migrationspolitik gerungen. In einem Entwurf hieß es, dass Migration „menschlich und wirksam gemanagt wird“. Dagegen erhoben die vier Visegrád-Staaten Einspruch. Nicht managen, sondern aufhalten – das war ihre Haltung. Damit waren jedoch weder Deutschland, Italien und Griechenland noch die EU-Kommission einverstanden.
Eine neue Formel musste her. Sie enthält nun das Bekenntnis zu einer „verantwortlichen und nachhaltigen Migrationspolitik, bei der internationale Normen geachtet werden“. Obendrein wurde noch ein Hinweis auf die Menschenrechte eingefügt. Doch an der politischen Praxis wird sich nichts ändern, auch nicht durch diesen starken Satz: „Wir werden die Europäische Union durch noch mehr Einheit und Solidarität untereinander und die Achtung gemeinsamer Regeln stärker und widerstandsfähiger machen.“