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Eskalation im Jemen-Krieg : Wachsende Konfliktbereitschaft

Kinder laufen am 16. Januar 2020 an einem durch einen Luftangriff zerstörten Haus in Sanaa vorbei. Bild: EPA

Die Gewalt im Jemen-Konflikt flammt wieder auf – nachdem bei internationalen Vermittlern vor kurzem noch Zuversicht geherrscht hatte. Liegt das am Tod des iranischen Generals Soleimani?

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          Über Monate war es relativ ruhig am Himmel über dem Norden des Jemens. Jetzt dröhnen dort wieder die Triebwerke saudischer Jagdbomber. Sicherheitsfachleute in der Hauptstadt Sanaa zählten in der letzten Januarwoche mehr als hundert Luftangriffe. Und auch am Boden wird wieder heftiger gekämpft. Hunderte Tote und Verwundete auf beiden Seiten wurden im Zuge der Gefechte der vergangenen Wochen gemeldet.

          Christoph Ehrhardt
          Korrespondent für die arabischen Länder mit Sitz in Beirut.

          Schon mehr als fünf Jahre bekriegen sich die schiitischen Houthi-Rebellen und die Regierung von Präsident Abd Rabbo Mansur Hadi, die im September 2014 von den Rebellen aus Sanaa vertrieben wurde. Im März 2015 intervenierte eine von Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten geführte Militärkoalition. Die Houthi, die über den Nordjemen und die Hauptstadt Sanaa herrschen, haben zuletzt Geländegewinne erzielt. Darunter waren strategisch wichtige Gegenden in den Provinzen Dschauf und Marib, die an die Provinz der Hauptstadt angrenzen. Der Houthi-Haussender Al Masirah TV verbreitete vollmundig Siegesmeldungen; der Gouverneur von Marib sah sich gezwungen, öffentlich zu erklären, die Houthi würden seine Provinz „niemals vergiften“. Westliche Diplomaten und jemenitische Sicherheitsfachleute sehen die Gefahr, dass die Eskalation im Norden neue Gewaltausbrüche an den „kalten Fronten“ weiter im Süden hervorruft.

          Der Sicherheitsrat verlangt ein sofortiges Ende der Gewalt

          Wie sehr sich die Situation verschlechtert hat, lässt sich gut am Ton des UN-Sondergesandten ablesen. Noch vor wenigen Wochen zeigte sich Martin Griffiths optimistisch, dass die Verhandlungen zwischen den von Iran geförderten Houthi und ihren von Saudi-Arabien unterstützten Gegnern vorankommen könnten. Unter den Akteuren breche sich die „grundsätzliche Erkenntnis“ Bahn, „dass auf dem Schlachtfeld nichts zu gewinnen ist“, erklärte er. Inzwischen klingt das anders. Griffiths warnt, die derzeitige Gewalteskalation müsse gestoppt werden, „bevor es zu spät ist“. Am Donnerstag erhielt der Jemen-Sondergesandte Unterstützung vom UN-Sicherheitsrat, der ein „sofortiges“ Ende der „bedeutenden“ Gewalteskalation verlangte.

          Bevor die Gewalt wieder aufflammte, hatte es ermutigende Zeichen gegeben, den Konflikt seinem Ende näherbringen zu können. Es war gelungen, einen Gesprächskanal zwischen Saudi-Arabien und den Houthi zu eröffnen. Letztere hatten den Beschuss des Königreiches mit Raketen unterlassen, im Gegenzug waren die Angriffe der saudischen Luftwaffe ausgeblieben. Jetzt ist diese unausgesprochene Vereinbarung Makulatur. Vergangene Woche teilte ein Houthi-Sprecher mit, es seien wieder Ziele in Saudi-Arabien angegriffen worden. Den Angriff, zu dem es Tage vorher gekommen war, hatte die saudische Luftabwehr erfolgreich abgefangen. Aber die Drohbotschaft ist eindeutig. Aus der Hadi-Regierung werden schon Forderungen erhoben, die Vereinbarungen von Stockholm zur Eindämmung des Konfliktes, die vor gut einem Jahr geschlossen wurde, aufzukündigen. Außenminister Muhammad al Hadrami erklärte, die Waffenruhe in der Hafenstadt Hudaidah erlaube es den Rebellen, ihre militärischen Ressourcen andernorts einzusetzen.

          Die Spannungen in der Region nach dem amerikanischen Drohnenangriff auf den iranischen General Qassem Soleimani machen es den internationalen Vermittlern zusätzlich schwer, die Gewalt wieder einzudämmen und den Zusammenbruch des Verhandlungsprozesses abzuwenden. Westliche Diplomaten und jemenitische Beobachter führen die jüngste Gewalteskalation zwar auf örtliche Dynamiken zurück. Aber es heißt auch, die Konfliktbereitschaft der Akteure habe im Zuge der Tötung Soleimanis zugenommen.

          Bild: F.A.Z.

          Die Zuversicht, die der UN-Sondergesandte bis zu den jetzigen Rückschlägen demonstriert hatte, schien auch nicht die wirkliche Kompromissbereitschaft der Konfliktparteien widerzuspiegeln. „In Riad herrscht schon länger Ernüchterung darüber, dass die Houthi wenig Entgegenkommen zeigen“, sagt ein Diplomat. Die Rebellen hätten der saudischen Führung zum Beispiel deutlich gezeigt, dass sie die Herrschaft über die Hauptstadt Sanaa auf keinen Fall aufgeben wollten. Um die Abkommen, die helften sollten, eine politische Lösung für den Jemen-Konflikt zu erreichen, stand es auch schon vor der neuen Gewalteskalation nicht zum Besten. Der Prozess, die Stockholmer Übereinkünfte zu verwirklichen, verläuft quälend zäh und erfolgsarm. Ähnlich sieht es beim Abkommen von Riad zwischen der Hadi-Regierung und den südjemenitischen Separatisten aus.

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