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Tumulte im Parlament : Nationalversammlung stimmt für Ausbau der Erneuerbaren

Ein Windpark vor St. Nazaire im September 2022 Bild: Reuters

Der Ausbau der Erneuerbaren Energien in Frankreich hinkt dem Plan hinterher. Nun sollen Genehmigungsverfahren gestrafft werden, um schneller ans Ziel zu kommen.

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          Frankreich will seinen Rückstand beim Ausbau erneuerbarer Energien aufholen. Die Nationalversammlung hat am Dienstagabend mit einer Mehrheit von 286 Stimmen bei 238 Gegenstimmen dem Gesetzentwurf „zur Beschleunigung des Ausbaus erneuerbarer Energien“ zugestimmt. Die Abstimmung musste wegen technischer Schwierigkeiten vier Mal wiederholt werden. Es kam zu tumultartigem Protest der Abgeordneten, deren elektronischer Abstimmungsknopf nicht funktionierte. Schließlich mussten Abstimmungszettel in Papierform organisiert werden.

          Michaela Wiegel
          Politische Korrespondentin mit Sitz in Paris.

          Die Minderheitsregierung unter Premierministerin Elisabeth Borne konnte dabei teilweise auf die Unterstützung durch die Sozialisten zählen. Konkret sieht das Gesetz vor, die langen Genehmigungsverfahren zum Bau von Solar- und Windparks durch neue Verwaltungsregeln stark zu verkürzen. In Frankreich dauert das Verfahren zum Bau eines Solarparks durchschnittlich fünf Jahre, zum Bau eines Windparks sieben Jahre und zum Bau eines Offshore-Windparks zehn Jahre.

          Frankreichs Anteil an erneuerbaren Energien hinkt hinter dem im Rahmen der EU-Richtlinie vereinbarten Zielen zurück. Erneuerbare Energien machten 2020 19,3 Prozent des Bruttoendverbrauchs aus, während 23,7 Prozent vorgesehen waren. Frankreich hält den in seinem Energiefahrplan festgelegten Pfad weiterhin nicht ein.

          Strafen bis zu 40.000 Euro

          Präsident Emmanuel Macron hat zum Ziel für 2050 gesetzt, die Solarenergiekapazität auf mehr als 100 GW zu verzehnfachen und 50 Offshore-Windparks auf 40 GW auszubauen. Der Gesetzestext sieht vorübergehende Änderungen der Verwaltungsverfahren vor. Die Bereitstellungsfristen sollen damit deutlich verkürzt werden. Mit einer Mehrheit von 320 Stimmen bei fünf Gegenstimmen hat die zweite Parlamentskammer, der Senat, dem Text bereits in erster Lesung zugestimmt. Die rechtsbürgerliche Mehrheit im Senat verzichtete letztendlich darauf, den Bürgermeistern ein Vetorecht vor der Ansiedlung von Wind- oder Solarparks zu geben. Dennoch sollen die Bürgermeister stärker als bislang in die Projekte einbezogen werden. Gemeinden können demnach selbst Gebiete vorschlagen, die für Projekte in Frage kommen. Diese „prioritären“ Fördergebiete sollen dazu beitragen, dass die Umsetzungsphase möglichst konfliktfrei abläuft.

          Der Gesetzentwurf soll zudem die Installation von Photovoltaikanlagen entlang von Autobahnen erleichtern. Außenparkplätze, die größer als 1500 Quadratmeter sind, müssen künftig mit schattenspendenden Photovoltaikanlagen überdacht werden. Die Regierung hatte diese Verpflichtung zunächst für Außenparkplätze von 2500 Quadratmetern vorgesehen. Die Grünen verlangten, die Photovoltaikanlagen bereits ab einer Fläche von 500 Quadratmetern vorzuschreiben. Letztendlich einigte man sich auf 1500 Quadratmeter. Damit wurde auch eine Änderung der rechtsbürgerlichen Mehrheit im Senat ausgehebelt, die Photovoltaik-Überdachung für Außenparkplätze mit mehr als 80 Stellplätzen einführen wollte. Die Minderheitsregierung von Borne stimmte einem Änderungsantrag der Linkspartei LFI zu, wonach Parkplatzbetreiber im Falle einer Nichteinhaltung Strafen von 20.000 bis 40.000 Euro zahlen müssen.

          22 Kilometer Abstand

          Der Gesetzentwurf bleibt von der weit verbreiteten Skepsis in Frankreich zum Ausbau von Windanlagen geprägt. Die rechtsbürgerliche Mehrheit im Senat wollte, dass die staatliche Denkmalschutzbehörde ihre Zustimmung geben muss, wenn Windanlagen in Sichtnähe von französischen Kulturdenkmälern errichtet werden sollen. Die Minderheitsregierung musste letztendlich einen Änderungsantrag der früheren Umweltministerin Delphine Batho hinnehmen, wonach die „visuelle Übersättigung“ durch Windanlagen geprüft werden muss.

          Im Tourismusland Frankreich wird viel stärker als in Deutschland Wert auf Landschaftspflege gelegt. „Wir müssen unsere gewachsenen Landschaften bewahren. In einigen Departements ist es zu einer ungeordneten Konzentration von Windanlagen gekommen“, sagte der Berichterstatter Pierre Cazeneuve von der Regierungspartei Renaissance.

          Auch über die Offshore-Windparks entzündete sich Streit. Der Senat hatte zunächst durchsetzen wollen, dass die Anlagen mindestens 40 Kilometer von der Küste entfernt liegen müssen. Das Gesetz sieht nun vor, dass die Offshore-Anlagen vorrangig „mehr als 22 Kilometer“ vor der Küste liegen sollen.

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