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Spannungen in der Türkei : Erdogan und sein Mafiapate

Der türkische Präsident hat viele Anhänger – auch in der Unterwelt. Bild: dpa

Ehre, Blut und Vaterland: Der Kopf der türkischen Unterwelt wollte Präsident Erdogan einst stürzen – nun schwört Sedat Peker ihm Loyalität und will im „Blut der Putschisten duschen“. Im Volk wächst die Furcht.

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          Wenn sein Name fällt, gefrieren die Mienen. Alles wird ihm zugetraut, dem führenden Paten der türkischen Unterwelt und dem Oberhaupt der organisierten Kriminalität. Auf seiner Internetseite und im wirklichen Leben lässt sich Sedat Peker von seiner Gefolgschaft mit „Reis“ anreden, was wörtlich „der Kopf“ heißt, aber der „Führer“ bedeutet. Das ist er auch.

          Rainer Hermann
          Redakteur in der Politik.

          Lange hat Sedat Peker auf eigene Rechnung gearbeitet, für seinen Ruf und sein Imperium, er hatte Schutzgelder eingetrieben und Raub angeordnet, hatte genötigt und gemordet. Dafür wurde der 1971 geborene Peker zweimal zu Haftstrafen verurteilt, 1998 und 2007. Jedes Mal kam er überraschend schnell wieder auf freien Fuß. Eine weitere Haftstrafe trat er am 5. August 2013 an. Zehn Jahre sollte er hinter Gitter, weil er Teil eines „Ergenekon“ genannten Putschplanes gewesen sein soll, bei dem ein knappes Jahrzehnt zuvor der damalige Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan hätte gestürzt werden sollen. Er saß seine Haftstrafe nicht einmal zehn Monate ab. Im März 2014 war er schon wieder auf freiem Fuß. Da hatte ein Gesinnungswandel bereits eingesetzt.

          Im Dienste des Präsidenten

          Auch bei dem jetzigen Putsch war seine Stimme wieder zu vernehmen. Diesmal aber nicht auf der Seite der Putschisten, sondern auf der Seite der „Demokratie und des Volkes“, wie Präsident Erdogan nicht müde wird zu sagen. Sedat Peker, der verurteilte Mafiapate, steht jetzt in Diensten des Staates und seines Präsidenten. Schon nach den Terroranschlägen vom 17. Februar 2016, bei denen 29 Menschen getötet worden sind, schrieb er auf seiner Internetseite, dass „unser Staat“ – durchgehend geschrieben in Großbuchstaben – ein großer Staat sei und auf jeden Fall geschützt werden müsse. Wenn Terroristen und sie unterstützende ausländische Staaten es fertigbrächten, dass „unser Staat“ nicht mehr funktioniere, könne er nicht länger abseits stehen. Denn hinter diesen Angriffen verberge sich ein großes Projekt. Nicht allein die Republik Türkei solle beseitigt und zurückgeworfen werden, sondern die gesamte sunnitisch-muslimische Welt.

          Peker schwor Loyalität zu dem türkischen Staat und seinem Staatspräsidenten. Über Twitter teilte er seinen mehr als hunderttausend Followern mit, wie er bei der Parlamentswahl am 1. November 2015 seine Stimme der AKP gegeben hat. Zwei Wochen zuvor hatte er dazu aufgerufen, Patriotismus durch die Unterstützung für Präsident Erdogan zu zeigen. Da trat er in der Schwarzmeerstadt Rize, woher die Familien Peker und Erdogan stammen, mit dem Präsidenten auf. Und er sprach davon, wie das „Blut fließen“ werde, das Blut der Feinde des Staats. In Ankara hatte der damalige Ministerpräsident Ahmet Davutoglu an der Kundgebung von Rize keinen Gefallen.

          Frisch und frühzeitig aus der Haft entlassen: Sedat Peker
          Frisch und frühzeitig aus der Haft entlassen: Sedat Peker : Bild: Picture-Alliance

          Im Januar 2016 holte Peker noch weiter aus. Er griff die tausend Wissenschaftler an, die eine Petition mit dem Aufruf unterzeichnet hatten, den Kurdenkonflikt im eigenen Land friedlich beizulegen. Ihnen drohte er, dass ihr Blut fließen werde und er in ihrem Blut „duschen“ werde. Denn sie seien dafür verantwortlich, dass „der heilige Staat der muslimischen Türken“, alles in Großbuchstaben, funktionsunfähig zu werden drohe.

          So weit ist es nicht gekommen. Der türkische Staat funktioniert weiter, und die Wissenschaftler leben noch. Welche Rolle Peker, der als Jugendlicher lange in München gelebt hatte, in der Putschnacht gespielt hat, ist aber unklar. Als der Putschversuch niedergeschlagen wurde, trat er bei einer Kundgebung in der Mittelmeerstadt Alanya vor die Menschenmenge, sprach von „legitimer Verteidigung“ und davon, dass dies eine Frage der „Ehre“ und des „Vaterlands“ sei. Jeder solle wissen, dass er im „Blut der Putschisten duschen“ werde. Darauf, so die türkischen Zeitungen, seien auf dem zentralen Platz der Stadt die türkische Flagge und ein Poster Erdogans hochgezogen worden.

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