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Erdogan zu NATO-Erweiterung : Zwei Sätze, die es in sich haben

Warnt Finnland davor, „dieselben Fehler“ zu machen wie Schweden: der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan, bei einem Event in Bilecik Bild: via REUTERS

Zum ersten Mal deutet der türkische Präsident an, die Beitrittsgesuche getrennt zu behandeln. Er warnt Helsinki davor, „dieselben Fehler“ zu machen wie Stockholm – und meint damit den Konflikt um Auslieferungen.

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          Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan braucht für große Ankündigungen keine große Bühne. Wohin er auch reist, die Kameras der großen Fernsehsender sind live dabei. Auch am Sonntagabend, als er sich in Bilecik, im Nordwesten Anatoliens, mit jungen Türkinnen und Türken unterhielt, war das so. Dabei sagte er, fast schon beiläufig, aber dennoch gezielt, zwei Sätze, die weit über die Türkei hinaus widerhallten.

          Rainer Hermann
          Redakteur in der Politik.

          Der erste Satz lautete: „Falls nötig, könnten wir unterschiedliche Botschaften zu Finnland geben.“ Er bezog sich da­bei auf das türkische Veto gegen einen NATO-Beitritt Schwedens und Finnlands.

          Der zweite Satz: Schweden werde „schockiert sein, wenn es unsere Antwort sieht, jedoch sollte Finnland nicht dieselben Fehler machen wie Schweden“. Zum ersten Mal hat Erdogan damit die Bereitschaft signalisiert, die finnische Kandidatur getrennt von der schwedischen zu be­handeln.

          Neue Stufe der Eskalation

          Der Fehler, den Schweden nach Erdogans Verständnis begeht, ist die Weigerung, die Personen auszuliefern, die die Türkei als Vorleistung für ihre Zustimmung zum NATO-Beitritt haben will. Die Liste ist lang, sie umfasst 120 Personen, die die Türkei als „Terroristen“ bezeichnet. Unter ihnen befinden sich schwe­dische Staatsbürger.

          Erdogan selbst nannte wiederholt den Namen von Bü­lent Kenes. Die türkische Führung hält ihn für den Organisator des gescheiterten Putschversuchs vom 15. Juli 2016. Kenes leitete die englischsprachige Zeitung „Today’s Zaman“ und gilt als enger Vertrauter des im amerikanischen Exil le­benden Predigers Fethullah Gülen. Der schwedische Oberste Gerichtshof hat Kenes’ Auslieferung im Dezember jedoch ausgeschlossen, was Ankara erzürnt.

          Der kalte Krieg zwischen der Türkei und Schweden erreichte am Wochenende eine neue Stufe. Am Samstag gab das türkische Außenministerium für „Länder in Europa“ eine Reisewarnung heraus. Es reagierte auf Vorfälle vor der türkischen Botschaft in Stockholm, wo prokurdische Gruppen demonstriert hatten und ein Rechtsextremist einen Koran verbrannt hat.

          In der Reisewarnung ist von einer Zunahme antitürkischer Proteste von „Gruppen mit Verbindungen zu Terrorgruppen“ die Rede. Gemeint ist damit die verbotene und als Terrororganisation eingestufte PKK.

          Futter für Erdogans Wahlkampf

          Vor den Jugendlichen in Bilecik plauderte Erdogan am Sonntagabend auch aus dem Nähkästchen des Staatsmanns. Dem schwedischen Ministerpräsidenten Ulf Kristersson habe er gesagt: „Falls ihr diese Terroristen nicht ausliefert, tut es mir leid.“ Ob es ihm wirklich leid täte, würde er Schwedens NATO-Beitritt verhindern, sei dahingestellt.

          Jedenfalls wird sich das aktuelle Parlament in An­kara voraussichtlich nicht mehr mit der NATO-Norderweiterung beschäftigten. Für eine Zustimmung der Türkei ist aber die Ratifizierung durch das Parlament Voraussetzung.

          Erdogan hat als Datum für die Par­laments- und Präsidentenwahl den 15. Mai festgelegt. Anfang Mai werden die Abgeordneten zum letzten Mal in dieser Legislaturperiode zusammentreten. Möglicherweise wird das nächste Parlament erst vor dem nächsten NATO-Gipfeltreffen Mitte Juli in Vilnius zu seiner konstituierenden Sitzung zusammenkommen. Offen ist, welche Regierung in Ankara dann im Amt sein wird.

          Davor wird sich die Türkei kaum bewegen. Denn für neuen Unmut sorgte ein Karikaturenwettbewerb, den eine schwedische Zeitung zu Erdogan ausgeschrieben hatte. Dem schwedischen NATO-Gesuch wird das nicht helfen, wohl aber Erdogans Wahlkampf.

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