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Erdgas-Förderung : Bulgarische Gas-Träume

  • -Aktualisiert am

Die geplanten Gasleitungsprojekte stehen und fallen mit der EU-Kommission Bild: F.A.Z.

Nach Putins Absage an die South-Stream-Pipeline hat Sofia neue ambitionierte Pläne - setzt aber weiter auf eine russische Pipeline durch das Schwarze Meer.

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          Drei Monate sind vergangen seit Russlands Präsident Wladimir Putin persönlich das Pipeline-Projekt South Stream für beendet erklärte. In Bulgarien, wo die Erdgasleitung aus dem Schwarzen Meer das Festland der Europäischen Union hätte erreichen sollen, hat man sich mit der Absage noch nicht recht abgefunden. „Wir haben noch immer kein offizielles Signal aus Russland erhalten, dass das Projekt beendet wurde“, sagt Tomislaw Dontschew, der für den Energiesektor zuständige stellvertretende Ministerpräsident Bulgariens. Er gehe jedoch nicht mehr davon aus, dass South Stream in der geplanten Form gebaut werde, gesteht Dontschew dann ein.

          Geplant hatte der russische Erdgasförderer Gasprom eine Leitung, die durch Bulgarien, Ungarn und Slowenien bis nach Italien führen sollte. Die EU-Kommission hatte die Arbeiten im vergangenen Sommer jedoch gestoppt und neue Verhandlungen gefordert, weil der von Gasprom mit Bulgarien ausgehandelte Rahmenvertrag gegen das Recht der Union verstieß. Der Gas-Lieferant und der Pipeline-Betreiber dürfen laut EU-Recht nicht identisch sein. Für Bulgarien, das faktisch zu 100 Prozent von russischem Erdgas abhängig ist, war South Stream in den vergangenen Jahren ein Projekt mit höchster Priorität.

          Die wechselnden Regierungen in Sofia versprachen sich und ihren Wählern Transitgebühren und Arbeitsplätze. Wie groß der Gewinn für Bulgarien tatsächlich gewesen wäre, wurde freilich nie genau berechnet. Martin Wladimirow, ein Experte für Energiesicherheit bei der unter anderem durch EU-Gelder finanzierten Sofioter Denkfabrik „Center for the Study of Democracy“, geht davon aus, dass bei der Entscheidungsfindung der bulgarischen Führung für South Stream die Partikularinteressen einiger beteiligter Unternehmen eine wesentlichere Rolle spielten als das gesamtwirtschaftliche Wohl des Landes.

          Für Russland, so rechnet der Experte vor, wäre die Leitung ohnehin wenig profitabel gewesen. Sie sei vor allem ein geopolitischer Schachzug des Kremls gewesen, um das europäische Konkurrenzprojekt Nabucco zu verhindern (das 2013 tatsächlich abgesagt wurde). Zudem sollte sie als Druckmittel mit Blick auf Russlands bisher wichtigstes Transitland, die Ukraine, dienen. Ein solches Projekt sei in Zeiten niedriger Energiepreise aber für Russland nicht darstellbar. „Auch Gasprom ist ein Wirtschaftsunternehmen, das Geld verdienen muss.“ Bei einem Besuch in der Türkei Anfang Dezember beerdigte Putin die Südstrom-Pipeline-Pläne und kündigte an, stattdessen eine Leitung in die Türkei bauen zu wollen.

          EU-Recht: Ohne eine Leitung auf bulgarischem Boden

          Der bulgarische Energiepolitiker Dontschew zeigt wenig Verständnis für diesen Sinneswandel. Sicherlich sei das Projekt Turkish Stream technisch möglich, aber die ökonomischen Beweggründe für die Entscheidung könne er nicht sehen, sagt Dontschew. Die Strecke sei schließlich länger als die von South Stream, und wenn die Leitung nach Europa führen solle, dann werde sie an der türkisch-griechischen Grenze doch genau dieselben Schwierigkeiten mit der EU-Gesetzgebung bekommen.

          Für Bulgarien schlägt Dontschew im Namen der Regierung von Bojko Borissow ein neues Großprojekt vor. „Wir glauben, dass es machbar und realistisch ist, in Varna einen Gas-Hub einzurichten“, sagt Dontschew. In der bulgarischen Hafenstadt am Schwarzen Meer hätte die South-Stream-Pipeline an Land gehen sollen. In Dontschews neuen Plänen von einem Umschlagsplatz für Erdgas spielt die abgesagte russische Pipeline - in einer kürzeren Variante - auch weiterhin eine wichtige Rolle. „Wir schlagen vor, dass wir weiter über eine russische Leitung im Schwarzen Meer nachdenken, aber ohne die Leitung auf bulgarischem Boden“, erläutert Dontschew. Damit ließen sich die rechtlichen Probleme umgehen. Unbeantwortet bleibt allerdings die Frage, wie das Gas zu den Kunden in Mittel- und Westeuropa gelangen soll. Wenn Gasprom keine Pipeline baut, müsste die EU dies tun.

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