Entführung in Afghanistan : Leiche deutscher Geisel mit Schusswunde
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Berlin: Wir bleiben am Hindukusch Bild: AP
Der in Afghanistan umgekommene Deutsche soll schnell in der Heimat obduziert werden. Das Außenministerium bestätigte, dass der Leichnam eine Schussverletzung trägt. Die Todesursache sei aber noch unklar. Das Schicksal des zweiten Entführten ist ungewiss. Berlin wies Drohungen zurück.
Die Bundesregierung hat am Sonntagabend bestätigt, dass die tote deutsche Geisel in Afghanistan eine Schusswunde aufweist. Dies habe sich bei einem ersten Augenschein durch deutsche Beamte gezeigt, sagte ein Sprecher des Auswärtigen Amtes. „Eine abschließende Aussage zur Todesursache lässt sich zur Stunde nicht treffen.“
Die Leiche des Mannes befinde sich seit dem Abend in Kabul, sagte der Sprecher. Der Leichnam werde nun schnellstmöglich nach Deutschland überführt und dort einer Obduktion unterzogen. Details wurden nicht genannt.
„Deutsche eher durch Zufall entführt“
Über die Todesursache der deutschen Geisel gibt es damit bislang widersprüchliche Angaben. Außenminister Steinmeier hatte am Samstag gesagt, der Ingenieur sei an Erschöpfung gestorben, und nichts weise auf einen Mord hin. Nach Informationen der F.A.Z. wurde auf die Geisel geschossen, nachdem sie bei einem Fußmarsch zusammengebrochen war. Sie wäre somit nicht hingerichtet worden. Schon zuvor hatte der Gouverneur von Wardak mitteilen lassen, der Leichnam weise eine Schusswunde im Rücken auf.
Ein mutmaßlicher Sprecher der Taliban wiederum hatte zunächst behauptet, beide deutschen Geiseln seien wie angedroht nach Ablauf eines Ultimatums getötet worden. Am Sonntag hieß es aber, auf einer Taliban-nahen Internetseite sei diese Information vom Samstag mittlerweile gelöscht worden. In Berlin hieß es auch, die beiden Deutschen seien eher durch Zufall verschleppt worden; Ziel der Entführung sei offenbar ein Afghane gewesen, der mit dem stellvertretenden Parlamentspräsidenten verwandt sei.
Schicksal der Südkoreaner unklar
Unklar war am Sonntag auch das Schicksal der 23 entführten Südkoreaner. Während Stammesfürsten und religiöse Würdenträger über eine Freilassung verhandelten, warteten offenbar afghanische Truppen und Nato-Soldaten auf den Befehl zu einer Befreiungsaktion.
Die Bundesregierung reagierte auf den Tod des Deutschen mit der Entschlossenheit, die Afghanistan-Einsätze der Bundeswehr fortzusetzen und zu verlängern. Die mutmaßlichen Entführer hatten den Abzug der Bundeswehrsoldaten aus Afghanistan verlangt und das Schicksal der Geiseln damit verknüpft. Die beiden Bauingenieure waren am Mittwoch entführt worden.
Bundeskanzlerin Angela Merkel, Außenminister Steinmeier und Entwicklungshilfeministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul versicherten, die militärischen Einsätze und zivilen Hilfsprojekte würden fortgesetzt. In der ARD sagte die Kanzlerin: „Wir werden auf Aufforderungen aus dem Kreis der Taliban nicht reagieren. Wir sind nicht erpressbar.“
„Begonnene Mandate nicht einfach in Frage stellen“
Der „Passauer Neuen Presse“ sagte Frau Merkel, der Aufbau in Afghanistan habe „erhebliche positive Wirkungen“ gezeigt und müsse fortgesetzt werden. Wie andere Koalitionspolitiker verwandte sie die Formulierung: „Das afghanische Volk darf nicht im Stich gelassen werden.“
Der SPD-Vorsitzende Beck sagte im ZDF: „So dramatisch das alles ist, was sich in den letzten Tagen abgezeichnet hat, umso mehr müssen wir nüchtern und sachlich entscheiden, und das wird nach der Sommerpause geschehen.“ Es sei selbstverständlich, „dass wir das begonnene Mandat nicht einfach in Frage stellen“. Frau Wieczorek-Zeul sagte: „Wir würden den Gewalttätern nur in die Hände spielen, wenn wir unsere Hilfe beim Wiederaufbau zurücknehmen.“ Das deutsche Engagement werde von der Mehrheit in Afghanistan begrüßt.
Der CSU-Vorsitzende Stoiber sagte, ein Rückzug Deutschlands würde zu einer Entfremdung zu den Nato-Partnern führen und die Folge haben, dass Afghanistan wieder eine „Hochschule des Terrorismus“ werde. „Dann wird es nicht nur Anschläge in Kabul, sondern auch in Bayreuth, München oder Berlin geben.“ Der FDP-Vorsitzende Westerwelle kündigte in der „Bild am Sonntag“ an, seine Partei werde die Anträge der Bundesregierung auf Verlängerung der Afghanistan-Mandate prüfen; ein plötzliches Ende der Einsätze wäre jedoch „keine verantwortliche Politik“.