Elfenbeinküste : Ein Drama mit Ansage
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Ouattara-treue Kämpfer posieren an einem Checkpoint in Abidjan für die Kamera Bild: dapd
Die Elfenbeinküste droht, in einen Bürgerkrieg abzugleiten. Getreue des international anerkannten Präsidenten und Anhänger des bisherigen Amtsinhabers scheinen bloß darauf zu warten, in großem Stil aufeinander loszugehen. Gut und Böse gibt es in dem Konflikt nicht.
Die Schreckensmeldungen aus der Elfenbeinküste reißen nicht ab. Jeder Tag bringt neue Opferzahlen. Die Auseinandersetzungen zwischen den Anhängern des scheidenden Präsidenten Laurent Gbagbo, der sein Amt nicht aufgeben will, und dem international anerkannten Präsidenten Alassane Ouattara werden immer brutaler. Die Wirtschaftsmetropole Abidjan ist inzwischen Schauplatz von nahezu täglichen Gefechten mit Artillerie und Mörsergranaten. Der Hass, mit dem sich die beiden Lager begegnen, lässt sich alleine am Umgang mit den Toten des Gegners ablesen: sie werden auf offener Straße verbrannt.
Was sich in der einst als schwarzafrikanisches Vorzeigeland geltenden Côte d'Ivoire abspielt, ist ein Drama mit Ansage. Vordergründig geht es darum, wer die umstrittene Wahl von November vergangenen Jahres gewonnen hat. Die internationale Gemeinschaft sagt, Ouattara sei der Sieger. Das Gbagbo-Lager hingegen verweist auf angebliche schwere Manipulationen im Norden des Landes, der Ouattara ergeben ist, und sah sich darin durch den ivorischen Verfassungsrat bestätigt, der die Ergebnisse aus den umstrittenen Wahlbezirken annullierte und Gbagbo zum Sieger erklärte. Dass der Verfassungsrat keine Neuwahlen in den betroffenen Gebieten anordnete und sich darüber hinaus der UN-Generalsekretär Ban Ki-moon gegen eine Neuauszählung der Ergebnisse aussprach, die von der UN-Mission in der Elfenbeinküste bestätigt worden waren, macht die Lage nicht einfacher.
Letztes Aufgebot eines sterbenden Regimes
Der wahre Grund für die Vehemenz aber, mit der sich vor allem die Gbagbo-Anhänger gegen Ouattara sträuben, liegt in dem Bürgerkrieg, der 2002 begann und in dessen Verlauf das Land zweigeteilt wurde. Es geht schlichtweg um die Frage, ob Waffengewalt ein legitimes Mittel zur Herbeiführung eines politischen Wandels sein darf. Die Rebellen, die 2002 den Krieg begannen, waren in ihrer Mehrheit aus dem muslimischen Norden stammende Deserteure der ivorischen Armee, die vorgaben, für eine tolerante Cote d'Ivoire zu kämpfen, in der jeder sein Auskommen hat. Das war zwei Jahre nach der umstrittenen Wahl Gbagbos zum Präsidenten, von der Ouattara ausgeschlossen worden war, weil er angeblich kein richtiger Ivorer sei.
Ouattara hat stets bestritten, hinter dieser Rebellion zu stehen, was aus heutiger Sicht allerdings eine dreiste Lüge ist. Der Ministerpräsident seiner Regierung ist niemand anders als der ehemalige Rebellenführer Guillaume Soro und beschützt wird Ouattara von Soldaten der „Forces nouvelles“, wie sich die Rebellen seit dem brüchigen Frieden von 2007 nennen. Würde Ouattara Präsident des Landes, wäre das aus Sicht des Gbagbo-Lagers das Eingeständnis, das Gewalt sich auszahlt. Umgekehrt aber greift Gbagbo zur Verteidigung der vermeintlichen Rechtsstaatlichkeit regelmäßig zu unrechtstaatlichen Mitteln, wie etwa der Bewaffnung der Milizen der „Jeunes Patriotes“, die man getrost als letztes Aufgebot eine sterbenden Regimes bezeichnen kann.
Genau genommen gibt es in diesem Konflikt weder Gut noch Böse. Beide Lager haben sich schwerer Menschenrechtsverletzungen schuldig gemacht: Die Sicherheitskräfte im Dienste Gbagbos bei der Niederschlagung der Protestbewegungen insbesondere in Abidjan, die Rebellen mit ihren Massakern in den von ihnen besetzten Gebieten im Norden. Dass dort in der Stadt Bouaké gleich zu Beginn der Rebellion 90 Gendarmen zusammen mit ihren Familien ermordet worden waren, ist in der internationalen Wahrnehmung des ivorischen Konfliktes längst untergegangen. Die Ivorer im Süden des Landes indes haben dies nicht vergessen. Um den Konflikt zu verstehen, der sich ausschließlich an der Person Ouattaras entzündet, ist ein Blick auf die späten achtziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts nötig.