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Tödliche Schüsse in Kenosha : Freispruch für US-Teenager Kyle Rittenhouse

  • Aktualisiert am

Kyle Rittenhouse im Gerichtssaal nach seinem Freispruch im Kenosha County Courthouse in Kenosha, Wisconsin, am 19. November 2021. Bild: AP

Mit seinem Sturmgewehr hatte er bei Anti-Rassismus-Protesten im US-Bundestaat Wisconsin zwei Menschen erschossen und einen verletzt. Die Jury sprach den Teenager nun von den Vorwürfen des Mordes frei: Rittenhouse habe in Notwehr gehandelt. Das Urteil spaltet Amerika.

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          Es ist ein Urteil mit Sprengkraft: Mit einem Freispruch ist der Prozess gegen den 18-jährigen Kyle Rittenhouse zu Ende gegangen, der bei Anti-Rassismus-Protesten in der US-Stadt Kenosha zwei Demonstranten erschossen und ein dritten schwer verletzt hatte. Die Geschworenen sprachen den zum Tatzeitpunkt 17-Jährigen am Freitag in allen Anklagepunkten frei. Das Urteil in dem politisch aufgeladenen Prozess stieß umgehend auf scharfe Kritik, aber auch Zustimmung. US-Präsident Joe Biden rief zur Ruhe auf.

          Der mit einem halbautomatischen Gewehr bewaffnete Rittenhouse war im August 2020 nach Kenosha im Bundesstaat Wisconsin gefahren und hatte sich dort bewaffneten Männern angeschlossen, die nach eigenen Angaben Geschäfte vor Plünderern schützten wollten. In der Stadt war es zuvor zu teils gewalttätigen Protesten gekommen, nachdem ein Polizist den Afroamerikaner Jacob Blake mit mehreren Schüssen in den Rücken schwer verletzt hatte.

          Bei Auseinandersetzungen erschoss Rittenhouse inmitten chaotischer Szenen zwei Männer und verletzte einen dritten schwer. Rittenhouse ist weiß, ebenso wie seine Opfer. Seine Anwälte argumentierten vor Gericht, der Jugendliche habe in Notwehr gehandelt, weil er von Demonstranten angegriffen worden sei.

          Auf Videoaufnahmen war unter anderen zu sehen, wie ein Mann Rittenhouse mit einem Skateboard schlug. Ein von Rittenhouse verletzter Mann räumte vor Gericht ein, selbst eine Waffe auf den Teenager gerichtet zu haben.

          Staatsanwaltschaft: Selbsternannter „Hilfspolizist“ und Provokateur

          Die Staatsanwaltschaft erklärte, Rittenhouse habe die Gewalt als selbsternannter „Hilfspolizist“ selbst provoziert. Er hätte nie mit einem Sturmgewehr nach Kenosha reisen dürfen.

          Die Jury sprach den inzwischen 18-Jährigen nun nach viertägigen Beratungen von den Vorwürfen des Mordes, des Totschlags, des versuchten Mordes und der Gefährdung anderer frei. Rittenhouse begann nach dem Urteil zu schluchzen und brach zusammen.

          Befürchtungen gewaltsamer Proteste

          Der Prozess war politisch höchst aufgeladen, da er im Zusammenhang mit den Black-Lives-Matter-Protesten vom vergangenen Jahr stand. Der Freispruch von Rittenhouse, der in rechten Kreisen zu einer Art Galionsfigur geworden ist, weckt daher Befürchtungen gewaltsamer Proteste. Wisconsins Gouverneur Tony Evers versetzte 500 Mitglieder der Nationalgarde in Bereitschaft.

          US-Präsident Joe Biden rief dazu auf das Urteil der Geschworenen zu akzeptieren, distanzierte sich aber zugleich von dem Freispruch. „Während das Urteil in Kenosha viele Amerikaner - mich eingeschlossen - wütend macht und besorgt, müssen wir anerkennen, dass die Jury gesprochen hat.“

          Biden warnte vor gewalttätigen Protesten: Die Menschen müssten ihre Meinung „friedlich“ zum Ausdruck bringen und sich an das Gesetz halten. „Gewalt und die Zerstörung von Eigentum haben keinen Platz in unserer Demokratie“, erklärte der Präsident.

          Justizirrtum oder Gerechtigkeit?

          Scharfe Kritik an dem Urteil kam von Anti-Waffen- und Bürgerrechtsgruppen, die von einem „Justizirrtum“ und einer „Karikatur“ sprachen. New Yorks demokratischer Bürgermeister Bill de Blasio bezeichnete den Freispruch für Rittenhouse als „widerlich“: „Das als Justizirrtum zu bezeichnen, ist eine Untertreibung.“

          Konservative Politiker dagegen begrüßten den Freispruch. Der republikanische Senator Ron Johnson sagte, es sei „Gerechtigkeit gesprochen“ worden.

          Nach den tödlichen Schüssen hatte sich der damalige Präsident Donald Trump hinter Rittenhouse gestellt: Dieser habe „in großen Schwierigkeiten“ gesteckt, weil Demonstranten ihn „gewaltsam angegriffen“ hätten, sagte der Rechtspopulist damals: „Er wäre vermutlich getötet worden.“

          In den USA hatte es im vergangenen Jahr nach dem Tod des Afroamerikaners George Floyd bei einem brutalen Polizeieinsatz und weiteren Fällen von Polizeigewalt gegen Schwarze landesweite Anti-Rassismus-Proteste gegeben. Dabei kam es immer wieder auch zu Ausschreitungen, für die Trump linke Gruppen wie die Antifa verantwortlich machte.

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