Nukleare Abschreckung : Nicht ohne Amerika
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Größte Abschreckung für Europa: Donald Trump Bild: AP
Donald Trump lässt die Planspiele einer deutschen oder europäischen Nuklearmacht wieder aufleben. Doch zur erweiterten amerikanischen Abschreckung gibt es keine Alternative. Ein Gastbeitrag.
Soll sich Deutschland in einer veränderten internationalen Umwelt atomar bewaffnen? Die Stimmen, die auf diese Frage mit ja antworten, werden lauter. Wer die Frage verneint, der hat derzeit scheinbar vor allem eine europäische Nuklearstreitmacht im Sinn. Wenn schon nicht Deutschland, so brauche wenigstens die EU eine militärische nukleare Kapazität. Erstaunlich ist nicht, dass die Diskussion jetzt aufkommt, sondern eher, wie sie geführt wird. Eine glaubwürdige Nuklearstrategie der Nato muss sich auf verlässliche Aussagen stützen. Deshalb wundert es nicht, dass sie derzeit hinterfragt wird.
Denn die Paradoxien der erweiterten Abschreckung der Vereinigten Staaten für die europäischen Nato-Mitgliedsstaaten sind mit den uneinheitlichen Aussagen des amerikanischen Präsidenten Donald Trump noch offenkundiger geworden. Ob die Nato obsolet ist oder nicht, wusste Trump nicht klar zu sagen. Auch die Frage, ob sein Hinweis, die Vereinigten Staaten würden es notfalls eben alleine machen, wenn die europäischen Staaten nicht ausreichend zahlen würden, nur Taktik war, ist schwer zu beurteilen. Der amerikanische Kongress nahm ihn jedenfalls so ernst, dass ein Gesetz nun regeln soll: Für den Austritt der Vereinigten Staaten aus der Nato soll die Zustimmung von zwei Dritteln der Senatoren notwendig sein.
Das mag die europäischen Regierungen, sofern sie überhaupt beunruhigt waren, ein wenig beruhigen. Aber es lässt die Frage der erweiterten Abschreckung gleichwohl offen, denn die Drohung, die der Abschreckung inhärent ist, liegt allein in der Hand des Präsidenten. Wie man es auch wendet: Solange er im Weißen Haus regiert, ist Donald Trump die nukleare Abschreckung für die europäischen Nato-Staaten.
Sind die Vereinigten Staaten unzuverlässig?
Zu Recht argumentiert Christian Hacke, dass man sich dieser Abschreckung nicht mehr so sicher sein kann. Das wird bei diesem Präsidenten besonders deutlich, doch reichen die Gründe weit über die Person hinaus. Die internationale Ordnung hat sich gewandelt, aus der strikten Bipolarität wurde nach der kurzen Phase des unipolaren Moments eine diffuse Ordnung, die derzeit keine klare Kontur aufweist. Deshalb lassen sich Großmächte und insbesondere die Weltmacht Amerika nicht mehr so sicher auf ein höchstwahrscheinlich zu erwartendes Verhalten festlegen. Das stellt die europäischen Nato-Mitglieder vor folgenschwere Probleme.
Denn eine EU-europäische Bearbeitung dieser sicherheitspolitischen Herausforderung ist ebenso wahrscheinlich wie die Erklärung von Präsident Putin, alle Nuklearwaffen einseitig abbauen zu wollen. Beides ist völlig unrealistisch. Die EU-Staaten scheitern schon an kleinen sicherheitspolitischen Aufgaben und an politischen Entscheidungen, die Leben und Tod weit weniger berühren. Mit zwei Nuklearmächten und 26 nicht-nuklearen Streitkräften werden politische Entscheidungen über nuklearstrategische Positionen gemeinsam nicht getroffen werden können. Antworten auf diese fundamentalen Fragen werden jedenfalls absehbar nur auf der Ebene von Nationalstaaten legitimiert werden können.
Gründe gegen eine nukleare Bewaffnung der Bundeswehr
Doch ist der Schluss, dass deshalb nichts anderes übrig bleibt, als die Abschreckungsleistung national in Deutschland zu erbringen, aus vielen Gründen zumindest voreilig. Diese Gründe liegen im Innern, auf europäischer Ebene und in der internationalen Politik.
Es gibt in der politischen Klasse Deutschlands derzeit ja noch nicht einmal die Bereitschaft, offenkundige Sicherheitsfragen öffentlich ernsthaft zu diskutieren. Den maroden Zustand der Bundeswehr haben die Verantwortlichen sehenden Auges hingenommen. Weder über Zwecke noch Mittel deutscher Sicherheitspolitik besteht ein überparteilicher Konsens. Deshalb ist überhaupt nicht zu erwarten, dass die nukleare Abschreckung von einer politischen Mehrheit getragen werden würde. Das aber wäre notwendig, um sie sicherheitspolitisch wirksam zu halten. In der Öffentlichkeit wären weder die dahinter stehende Strategie noch die aufzuwendenden Kosten zu vermitteln.