Diskussion um Wehrpflicht : Verteidigungspolitiker offen für Pflichtdienst
- Aktualisiert am
2011 rückte der letzte Jahrgang Wehrpflichtiger in die Kasernen ein. Bild: Matthias Lüdecke
Eine Wehrpflicht nach altem Muster lehnen die Verteidigungsfachleute der Regierungsparteien ab. Eine allgemeine Dienstpflicht in sozialen Bereichen oder der Feuerwehr hätte mehrere Vorteile.
Der CDU-Verteidigungsfachmann Henning Otte hat sich dagegen ausgesprochen, die Wehrpflicht wieder einzuführen. „Eine allgemeine Wehrpflicht alten Zuschnitts hilft uns bei den aktuellen sicherheitspolitischen Herausforderungen nicht weiter“, sagte der verteidigungspolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag am Samstag der Deutschen Presse-Agentur und reagierte damit auf eine Äußerung seines Parteifreunds Patrick Sensburg in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. „Im Vordergrund muss eine leistungsfähige Bundeswehr stehen. Dafür brauchen wir motivierte junge Menschen, die längere Zeit bei der Truppe bleiben und komplexe Technik bedienen können. Diese brauchen Karriereperspektiven, angemessene Vergütung und vor allem gesellschaftliche Anerkennung.“
Ein anderes Thema sei eine allgemeine Dienstpflicht für Männer und Frauen, beispielsweise in sozialen Bereichen oder bei der Feuerwehr. „Dadurch könnte sich ein stärkeres Bekenntnis zu unserem Land entwickeln und der gesellschaftliche Zusammenhalt gestärkt werden. Juristisch sehe ich hier noch grundgesetzliche Hürden, die beseitigt werden müssten. Aber dieses Thema ist die Prüfung wert.“
Die Wehrpflicht war zum 1. Juli 2011 ausgesetzt worden. Aus der CDU kommt von vereinzelten Politikern die Forderung, die Wehrpflicht wieder einzuführen oder eine allgemeine Dienstpflicht zu schaffen.
„Wir brauchen die Wehrpflicht, und sie soll für Männer und Frauen gelten“, sagte der Bundestagsabgeordnete Patrick Sensburg der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Es solle ein verpflichtendes Jahr eines Dienstes geben, „und wer nicht zur Bundeswehr geht, kann es anderswo ableisten“, ergänzte Sensburg. Angesichts einer unsicheren Weltlage sei die Wehrpflicht „für die ureigene Aufgabe einer Armee, die Verteidigung des eigenen Landes“ unabdingbar.
CDU-Sprecherin Christiane Schwarte schrieb am Samstag im Kurznachrichtendienst Twitter, ein Ergebnis einer Tour von Kramp-Karrenbauer an der Parteibasis sei gewesen, dass viele Mitglieder über eine „allgemeine Dienstpflicht“ diskutieren wollten – weil diese den Zusammenhalt in der Gesellschaft stärke.
Der Wehrbeauftragte des Bundestags sieht ebenfalls rechtliche Hürden: „Eine allgemeine Dienstpflicht ist zwar eine sympathische Idee, stößt aber verfassungsrechtlich an eine Grenze. Es gilt das Verbot der Zwangsarbeit“, so Hans-Peter Bartels (SPD). Möglich wäre aber zum Beispiel eine „Auswahlwehrpflicht“, wie sie die Weizsäcker-Kommission vorgeschlagen hatte oder wie Schweden es nun macht. Die Experten unter der Leitung des früheren Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker hatten im Jahr 2000 unter anderem einen „Auswahl-Wehrdienst“ mit einer bestimmten Zahl von jungen Männern empfohlen, die zur Bundeswehr gehen.
Der „Bild am Sonntag“ sagte Bartels, nur über das Wiederaufleben der Wehrpflicht könne man junge Frauen und Männer erfassen, die entweder ein Jahr Dienst bei der Bundeswehr oder ersatzweise in sozialen Einrichtungen ableisten. „Aber das ist Theorie. Ich halte es für ziemlich unwahrscheinlich, 700.000 junge Männer und Frauen jährlich für die eine oder andere Aufgabe verpflichtend einzuziehen.“
In der SPD gibt es demnach ebenfalls Offenheit für eine Diskussion über die Wiedereinführung der Wehrpflicht. „Wir müssen eine gesellschaftliche Debatte darüber führen, ob wir auf dem heutigen Weg, die Bundeswehr möglichst attraktiv zu machen, tatsächlich die Personalzahlen erreichen, die wir für die Lands- und Bündnisverteidigung brauchen“, sagte Fritz Felgentreu, Obmann der SPD-Fraktion im Verteidigungsausschuss.