Ein amerikanischer Soldat auf der amerikanischen Botschaft in Bagdad am Freitag Bild: EPA
Die irakische Führung steckt in einer schwierigen Situation: Sie darf es sich mit dem Nachbarn Iran nicht verscherzen, hat aber noch amerikanische Soldaten im Land. Die Bevölkerung fürchtet neue blutige Konfrontationen.
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Der Irak muss Qassem Soleimani zuletzt Kopfzerbrechen bereitet haben. Lange, geduldig und skrupellos hatte der iranische General daran gearbeitet, ein Netz getreuer Milizen zu spinnen, Gewährsleute Teherans an Schlüsselpositionen der Führung zu installieren und den Einfluss der Vereinigten Staaten zurückzudrängen. Doch in den vergangenen Monaten gerieten die Früchte dieser Arbeit in Gefahr: Im ganzen Land begannen die Iraker zu demonstrieren, weil sie genug hatten von der korrupten politischen Klasse und dem dysfunktionalen System.
Ihr Zorn richtete sich auch gegen Iran und seine bewaffneten Bundesgenossen. Umso mehr seit bekannt wurde, dass Soleimani und seine Schattenarmee eine aktive Rolle bei den Versuchen spielten, die Proteste brutal niederzuschlagen; es gab hunderte Tote. Im schiitischen Süden des Landes wurden Büros irantreuer Milizen angegriffen. Die amerikanische Regierung hielt dem Regime in Teheran genüsslich vor, Garant der Unterdrückung und Schutzherr der Korruption zu sein. Soleimani musste dem entgegenwirken.
Soleimani hat sein Ziel erreicht
Die Nachrichtenagentur Reuters berichtete am Wochenende unter Berufung auf Quellen in den irakischen Sicherheitsbehörden und in den Reihen der Milizen, Soleimani habe die Amerikaner mit Hilfe der Milizen zu einem Angriff provozieren wollen, der den Zorn Menschen wieder auf Washington lenkt. In einer Villa in Bagdad habe er im Oktober Kommandeure versammelt und von ihnen verlangt, eine Truppe von Paramilitärs aufzustellen, die unerkannt Raketengriffe gegen amerikanische Ziele führen kann. Nun ist Soleimani selbst einem amerikanischen Angriff zum Opfer gefallen, aber sein Ziel, Washington als Aggressor dastehen zu lassen, ist erreicht.
Konflikt zwischen Amerika und Iran
Amerikas Militär tötete im Irak einen der mächtigsten Männer in Iran. Wie geht es nun weiter? Ein Überblick.
Als sich am Samstag in der Hauptstadt Bagdad Tausende Iraker zu einem Trauerzug versammelten, skandierte die Menge Slogans wie „Tod Amerika!“. In der schiitischen Pilgerstadt Nadschaf, wo noch im November das iranische Konsulat in Brand gesteckt worden war, ehrten Trauernde den getöteten iranischen General, dessen Leichnam dort auf dem Weg in sein Heimatland bei den Trauerfeiern mitgeführt wurde. Zugleich werfen scharfe Töne aus der Politik die Frage auf, wie belastbar die irakisch-amerikanische Sicherheitspartnerschaft noch ist – und ob der Preis, den Washington für den Tod Soleimanis zahlen muss, der Abzug des amerikanischen Militärs ist, das die Führung in Bagdad lediglich für den Kampf gegen den „Islamischen Staat“ (IS) in den Irak eingeladen hat.
Am Sonntag kam das Parlament zu einer Dringlichkeitssitzung zusammen. Einflussreiche Politiker und Milizanführer hatten die Abgeordneten dazu aufgerufen, den Abzug des amerikanischen Militärs voranzutreiben. Dazu gehört nicht nur Hadi al Ameri, der die Milizionäre der Badr-Organisation anführt und ein Alliierter Irans ist. Alle nationalen Kräfte sollten jetzt zusammenstehen, um die „sinnlose“ amerikanische Militärpräsenz zu beenden, verlangte Ameri, der den zweitstärksten Block im Parlament anführt. Auch der einflussreiche schiitische Prediger Muqtada al Sadr, der Chef des größten Blocks im Parlament, fordert den Abzug. Er stilisiert sich als nationalistischer Volkstribun und lehnt die Einflussnahme des iranischen Regimes ab. Doch Sadr ist zugleich und vor allem von Feindschaft gegenüber den Vereinigten Staaten beseelt, seine Mahdi-Armee hatte nach der Invasion von 2003 die amerikanischen Besatzungstruppen erbittert bekämpft.