Demonstrationen in Warschau : Polen will Sexualkunde-Unterricht einschränken
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Menschen protestieren vor dem Parlament gegen ein Gesetzesvorhaben, mit dem Lehrer für Sexualkunde-Unterricht an Schulen mit bis zu drei Jahre Haft bestraft werden könnten. Bild: dpa
Öffentlich mit Jugendlichen über sexuelle Handlungen sprechen? Das soll durch laut einem Gesetzentwurf in Polen unter Strafe gestellt werden – und würde den Sexualkunde-Unterricht an Schulen einschränken.
Mehrere hundert Menschen haben in Warschau vor dem Parlament gegen einen Gesetzentwurf demonstriert, von dem sie eine Einschränkung des Sexualkunde-Unterrichts an Schulen befürchten. Während die Demonstration andauerte, verwies das Parlament am Mittwochabend den Entwurf mit den Stimmen vor allem der Regierungspartei PiS in die zuständigen Ausschüsse.

Politischer Korrespondent für Polen, die Ukraine, Estland, Lettland und Litauen mit Sitz in Warschau.
Der Entwurf wurde von der Gruppe „Pro – Recht auf Leben“, einer Gruppe radikaler Abtreibungsgegner, eingebracht, die dafür nach eigenen Angaben 265.000 Unterschriften gesammelt hat. Die Gruppe hat sich den „Schutz von Kindern und Jugendlichen vor sexueller Verdorbenheit“ auf die Fahnen geschrieben. In Polen können Bürgerinitiativen im Parlament einen Gesetzentwurf einbringen, wenn sie dafür mindestens 100.000 Unterschriften vorweisen können.
Der umkämpfte Entwurf soll unter Strafe stellen, wer „Verhaltensweisen pädophiler Art öffentlich propagiert oder gutheißt“ (bis zu zwei Jahren Haft). Gleiches soll gelten, wenn jemand Geschlechtsverkehr durch Minderjährige propagiert oder gutheißt. Wenn das Propagieren „mit Hilfe der Massenmedien“ erfolgt, soll es bis zu drei Jahren sein. Damit würde das öffentliche Sprechen über sexuelle Handlungen nicht nur (wie bisher) von Kindern unter 15 Jahren, sondern auch von 17-Jährigen unter Strafe gestellt – und würde somit auch den Sexualkunde-Unterricht treffen.
Die nationalkonservative PiS hatte am Sonntag die Parlamentswahl klar gewonnen. Ein Abgeordneter der Linken, Adrian Zandberg, sagte während der Proteste: „Die extreme Rechte will die Uhr zurückdrehen und den Menschen das Recht auf Wissen wegnehmen. Das Wissen über Sexualität sollte ein normaler Bestandteil des Bildungsprozesses sein.” Man dürfe nicht zulassen, dass „Lehrer oder Ärzte bestraft werden“. Wer den Zugang zu diesem Wissen beschränke, erleichtere den Kindesmissbrauch.
Demonstranten verglichen die Lage mit jener von 2016, als eine der jetzigen nahestehende Bürgerinitiative einen Entwurf eingebracht hatte, mit dem das ohnehin strenge Abtreibungsrecht weiter verschärft werden sollte. Damals hatten heftige Proteste vor allem von Frauen die PiS veranlasst, den Entwurf fallen zu lassen.