„Grob irreführende“ Aussagen : Die Tötung von Nerzen holt die dänische Ministerpräsidentin ein
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Ministerpräsidentin Frederiksen am Freitag vor Beginn der Pressekonferenz zum Bericht der Nerz-Kommission Bild: AFP
Als sie verkündete, 15 Millionen Nerze keulen zu lassen, wirkte Mette Frederiksen wie eine konsequente Ministerpräsidentin. Eineinhalb Jahre später gerät sie wegen der Entscheidung mächtig unter Druck.
Die Lage in Dänemark schien dramatisch, und Mette Frederiksen wirkte wie eine konsequente und schnell handelnde Ministerpräsidentin, als sie vor die Presse trat und den Entschluss ihrer Regierung verkündete. Die Entscheidung führte zur Tötung von 15 Millionen Nerzen im Land und dem Ende der einst blühenden Nerz-Industrie. Nun aber, gut eineinhalb Jahre später, bringt die Entscheidung Frederiksen immer mehr in Bedrängnis. Auf einmal wirkt sie wie eine Ministerpräsidentin, die voreilig gehandelt hat, mindestens. Ein Untersuchungsbericht zu den Nerz-Tötungen hat gerade den Druck auf ihre Regierung erhöht. Und als sie am Freitag in Kopenhagen vor die Presse tritt, ist die Lage für sie selbst zwar nicht dramatisch, aber doch sehr unangenehm.
Es war Anfang November 2020 und die Welt war fest im Griff der Corona-Pandemie, als Dänemark und Frederiksen Schlagzeilen machten. Die Ministerpräsidentin verkündete, dass man in zwölf Menschen, die sich mit Corona infiziert hätten, eine in Nerzen mutierte Form des Virus entdeckt habe. Die Lage sei äußerst ernst, die Wirksamkeit der Impfstoffe, die gerade noch entwickelt wurden, sei in Gefahr. Alle Nerze müssten schnell gekeult werden, und so geschah es auch. Allerdings stellte sich bald heraus, dass die Regierung gar nicht das Recht hatte, die Tötungen zu veranlassen. Die rechtliche Grundlage musste erst geschaffen werden, und der zuständige Lebensmittelminister trat zurück.
Die Nerz-Kommission wurde eingerichtet
Erledigt war die Sache für Frederiksen und ihre Regierung damit aber nicht. Die Nerz-Kommission wurde eingerichtet, um zu durchleuchten, wie es zu der Entscheidung gekommen war. Im Mittelpunkt stand dabei die Frage, wer wann in der Regierung davon gewusst hatte, dass es eigentlich keine rechtliche Grundlage zur Veranlassung der Tötung gab. Und im Mittelpunkt standen dabei auch schon früh Frederiksen und die Vorgänge in ihrer Staatskanzlei.
Am Donnerstag veröffentlichte die Kommission nun ihren Abschlussbericht, nach gut 600 Tagen Arbeit und mehr als 70 Anhörungen. Mehr als 4800 Seite ist der Bericht lang, und er hat die dänische Politik in heftige Erregung versetzt. Die Entscheidung der Regierung wird darin ebenso kritisiert wie der Weg dorthin. Die Aussagen von Frederiksen zur Keulung auf der Pressekonferenz Anfang November 2020 seien „objektiv betrachtet grob irreführend“ gewesen. Allerdings, und das dürfte ihr das Amt retten, wird in dem Bericht auch festgehalten, dass sie diese irreführenden Aussagen nicht mit Absicht getroffen habe. Sie habe keine Kenntnis von der tatsächlichen Rechtslage gehabt.
Viel härter trifft es zehn Topbeamte aus der Regierung, gegen die laut Bericht ein Disziplinarverfahren eingeleitet werden sollte, weil sie nicht auf die fehlende Rechtsgrundlage hingewiesen hätten. Auch die Chefin von Frederiksens Staatskanzlei, Barbara Bertelsen, gehört dazu. Ihr ihr wird eine schwerwiegende Pflichtverletzung vorgeworfen.
Als Frederiksen am Freitag vor die Presse tritt, hebt sie hervor, dass der Bericht ihre Aussagen bestätige, nichts von der fehlenden Rechtsgrundlage gewusst zu haben. Sie habe die Wahrheitspflicht eingehalten. Frederiksen entschuldigt sich für den Fehler, auch bei den Nerz-Züchtern. Sie sagt, sie habe nicht vor zurückzutreten. Und sie spricht Bertelsen ihr Vertrauen aus.