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Wegen Mangel an Solidarität : EU-Kommission legt Notreserven von Schutzkleidung und Beatmungsgeräten an

Vielerorts in der EU fehlt es an Schutzkleidung: Szene aus einem Krankenhaus in Bordeaux Bild: EPA

Weil sich die Mitgliedstaaten untereinander kaum helfen, kauft nun die EU-Kommission Schutzkleidung, Beatmungsgeräte und Virentests. Sie können Mitgliedstaaten in Not zur Verfügung gestellt. Welchen, entscheidet allein Brüssel.

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          Die EU-Kommission will einen strategischen Vorrat an Beatmungsgeräten, Schutzkleidung, Virentests und Antibiotika anlegen, um Staaten in Not zu helfen. Das kündigte der für Krisenmanagement zuständige Kommissar Janez Lenarčič in Brüssel an. Die Kommission zieht damit Konsequenzen aus der sich verschlechternden Lage in mehreren Gesundheitssystemen und aus der fehlenden Solidarität unter den Mitgliedstaaten. Bisher haben Italien und Spanien zwar den sogenannten Zivilschutzmechanismus der EU aktiviert und die anderen Staaten um Hilfe gebeten. Doch lieferte lediglich Deutschland eine Million Schutzmasken an Italien.

          Thomas Gutschker
          Politischer Korrespondent für die Europäische Union, die Nato und die Benelux-Länder mit Sitz in Brüssel.
          Michaela Wiegel
          Politische Korrespondentin mit Sitz in Paris.
          Hans-Christian Rößler
          Politischer Korrespondent für die Iberische Halbinsel und den Maghreb mit Sitz in Madrid.

          „Nationale Exportbeschränkungen untergraben die Solidarität, auf der die EU beruhen sollte, und den Zivilschutzmechanismus“, sagte Lenarčič. Die Kommission greift deshalb nun auf ein Instrument namens „rescEU“ zurück, das sie vor drei Jahren geschaffen und schon bei der Bekämpfung von Waldbränden eingesetzt hat. So finanzierte sie Löschflugzeuge in Schweden, Portugal und Griechenland.

          Die Mitgliedstaaten beschaffen die Ausrüstung und lagern sie bei sich ein. Diese Ausrüstung kann dann im Krisenfall allen Ländern zur Verfügung gestellt werden, die Hilfe anfordern – darüber entscheidet allein die Brüsseler Behörde. Nach Lenarčičs Angaben haben sich sechs Mitgliedstaaten bereit erklärt, die für die Bekämpfung der Corona-Pandemie notwendige Ausrüstung zu beschaffen. Deutschland gehört nicht dazu. Die Kommission rechnet damit, dass es zwei Monate dauern wird, um den Vorrat anzulegen.

          China revanchiert sich 

          Unabhängig von dieser Initiative hat die Kommission die gemeinsame Beschaffung von Schutzkleidung und Beatmungsgeräten eingeleitet. Entsprechende Ausschreibungen wurden veröffentlicht, bis nächste Woche werden Angebote eingeholt; danach sollen die Aufträge schnell vergeben werden. Die EU spielt damit ihre Marktmacht aus, die größer ist, als wenn jedes Land einzeln Material beschafft. An der Beschaffung nehmen 25 Mitgliedstaaten sowie das Vereinigte Königreich teil. Brüssel versucht außerdem, die Produktion in europäischen Unternehmen anzukurbeln.

          Hilfe kommt nun auch aus China. Wie Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen nach einem Gespräch mit Ministerpräsident Li Keqiang mitteilte, stellt Peking der EU zwei Millionen Stück Mundschutz, 200.000 N95-Atemschutzgeräte und 50.000 Virentests kostenlos zur Verfügung.

          Die Lieferung soll nach dem Willen der EU-Kommission direkt an Italien gehen, dessen Gesundheitswesen am stärksten belastet ist. China revanchiert sich damit für insgesamt 56 Tonnen an Schutzkleidung, Desinfektionsmitteln und Schutzmasken, die es auf dem Höhepunkt seiner Epidemie von neun EU-Staaten geschenkt bekommen hatte. Dazu gehörten Deutschland, Italien, Ungarn und Frankreich.

          Frankreichs China-Politik ändert sich nicht

          Von einer „Geste der wechselseitigen Solidarität“ sprach deshalb nun der französische Außenminister Jean-Yves Le Drian. Zwei Flugzeuge aus China mit insgesamt einer Million dringend benötigter Schutzmasken würden in Frankreich erwartet, eines sei bereits am Mittwoch eingetroffen. „Wir wissen diese Hilfsgeste sehr zu schätzen“, sagte Le Drian. Er erinnerte daran, dass sein Land der am schlimmsten vom Coronavirus betroffenen Stadt Wuhan Mitte Februar mit 17 Tonnen medizinischer Ausrüstung geholfen habe.

          Es sei nicht ungewöhnlich, dass das Regime in Peking sich daran erinnere, dass auch Frankreich geholfen habe, und jetzt ebenfalls mit dringend benötigtem Material einspringe. An der China-Politik Frankreichs werde sich dadurch nichts ändern. Die Hilfssendungen nach Wuhan Mitte Februar – darunter jetzt knapp werdende Schutzanzüge, Atemschutzmasken, Schutzhandschuhe, Desinfektionsmittel und Medikamente – war von Präsident Macron nach einem Telefonat mit dem chinesischen Präsidenten angekündigt worden. Frankreich hat als einziges EU-Land in Wuhan ein Generalkonsulat eröffnet.

          Auch Spanien erhält direkte Hilfe aus China. Schon am Mittwoch bedankte sich die spanische Außenministerin Arancha González Laya für eine Flugzeugladung mit medizinischen Hilfsgütern, die die Regierung in Peking sowie chinesische Regionen und Unternehmer geschenkt hätten. Zuvor hatte die spanische Außenministerin am Wochenende in einem Telefonat mit dem chinesischen Außenminister Wang Yi über ein Hilfspaket über ihr Land gesprochen.

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