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Sommer in Italien : Alle Liegen vermietet

Im Juli an einem Strand im italienischen Fregene nahe Rom Bild: dpa

Im August zieht es die Italiener ans Meer. Auch im Corona-Jahr ist das nicht anders. Die Saison könnte noch halbwegs gerettet werden.

          3 Min.

          Kein Glück in der „Baia Azzurra“ von Sperlonga: Sämtliche Sonnenschirme und Liegen sind schon vermietet. Im „Lido Rocco“ und im „Lido Altamarea“ neben sieht es genauso aus. Wer seinen Tag am Strand im August erst mittags beginnen will, hat wenig Aussicht auf Erfolg. Denn jedes Jahr im August überkommt die Italiener die „voglia di mare“, der Drang zum Meer. Diese nationale Veranlagung ist verbreitet in allen sozialen Schichten und Alterskohorten, unter Städtern und bei Landeiern.

          Matthias Rüb
          Politischer Korrespondent für Italien, den Vatikan, Albanien und Malta mit Sitz in Rom.

          Im „Corona-Jahr“ 2020 ist es nicht anders: Im August sind die Städte wie ausgestorben und die Strände voll. Rund 30.000 „stabilimenti balneari“, oft mit langen Pachtverträgen ausgestattete, privat betriebene Strandbäder gibt es an Italiens Küstenlinie. Für die große Mehrheit der Italiener gehört der Service am kommerziellen Strandbad zu den unverzichtbaren Annehmlichkeiten des Urlaubs. Die lässt man sich etwas kosten. Auch fürs Mittag- und Abendessen im Restaurant sitzt im August das Geld locker.

          Urlaub ist in Italien ein Milliardengeschäft. Rund 13 Prozent der Wirtschaftskraft des Landes und sogar 15 Prozent der Arbeitsplätze hängen direkt oder mittelbar vom Fremdenverkehr ab. Von den zuletzt gut 230 Milliarden Jahresumsatz dürften in diesem Jahr gut 40 Milliarden wegfallen, weil die Zahl der Besucher aus dem Ausland einbrechen wird.

          Die üblichen Staus am ersten August-Wochenende

          Sperlonga ist ein bei einheimischen Sommerfrischlern beliebtes Städtchen südöstlich von Rom am Tyrrhenischen Meer. Es gibt eine pittoreske Altstadt auf einem Felssporn, mit engen Gassen und steilen Treppen, weiß getünchten Häusern und bunt blühenden Bougainvillea-Sträuchern. Von Herbst bis Frühjahr leben in der Stadt etwa 3200 Menschen. Im Sommer sind es drei bis vier Mal so viele.

          Rückblick Ende April: Blick auf den Strand von Sperlonga
          Rückblick Ende April: Blick auf den Strand von Sperlonga : Bild: AP

          Wenn nicht alles täuscht, kann die wegen der Corona-Pandemie schon verloren geglaubte Sommersaison 2020 doch noch halbwegs gerettet werden, ohne dass es zur befürchteten zweiten Corona-Welle kommt. Am ersten Wochenende im August gab es auf den Autobahnen zum Meer, aber auch in die Berge die üblichen kilometerlangen Staus.

          Bei Umfragen zu ihren Ferienplänen äußerten im Juni 93 Prozent der Italiener, den Urlaub daheim verbringen zu wollen. Das ist der höchste Stand seit mehr als zehn Jahren. Die Regierung hat den einheimischen Tourismus mit einem Milliardenprogramm angekurbelt, etwa mit einem Urlaubsbonus von bis zu 500 Euro für bedürftige Familien.

          Längst hat sich in Strandbädern und Restaurants, auch beim Stadt- und Einkaufsbummel eine überwiegend disziplinierte Routine beim Umgang mit Mund-Nasen-Schutz und Abstandsregeln eingebürgert. Sogar in „Kulturstädten“ wie Venedig, Florenz und Rom zieht das Reisegeschäft allmählich wieder an – auch wenn dort die Verluste im Fremdenverkehr immens sein werden.

          Wenn es gelegentlich Probleme mit infektionsträchtigen Menschenansammlungen gibt, für die sich in Italien das spanische Wort „movida“ eingebürgert hat, dann werden diese fast immer von vergnügungssüchtigen jungen Leuten verursacht. Auf Urlaubsinseln wie Capri, Ischia und Ponza haben die Behörden deshalb Mitte Juli eine Maskenpflicht an den Partymeilen auch im Freien verhängt. Auch für die Altstadt von Sperlonga hat der Bürgermeister zum 1. August von 18 bis 3 Uhr eine allgemeine Maskenpflicht verfügt, Zuwiderhandlungen kosten 400 Euro.

          Abgesehen von begrenzten örtlichen Ansteckungsherden ist die epidemiologische Lage in Italien stabil. Am 10. August wurden landesweit 259 Neuansteckungen bei gut 26.400 Abstrichen gemeldet, vier weitere Menschen erlagen an diesem Tag ihrer Covid-19-Erkrankung. In fast allen Fällen wurden die lokalen Ausbrüche durch Rückkehrer oder Reisende aus dem Ausland verursacht.

          Zu Wochenbeginn hat die Regierung in Rom per Dekret die Anti-Corona-Maßnahmen bis zum 7. September verlängert. Danach gilt in geschlossenen öffentlichen Räumen Maskenpflicht, auch die Abstandsregeln sind weiterhin einzuhalten. Größere Menschenansammlungen bleiben verboten.

          Ministerpräsident Giuseppe Conte sprach von „ausgewogenen Maßnahmen, die der aktuellen Situation gerecht werden“. Das Land habe sich dank des strengen nationalen Lockdown von März bis Mai gefangen, argumentierte der Regierungschef. Man müsse aber wachsam bleiben, sagte Conte: „Wir dürfen nicht nachlassen und unsere Bemühungen zunichtemachen!“ Wirtschaftsvertreter und Oppositionspolitiker vertreten die Ansicht, der Lockdown im ganzen Land habe die Wirtschaft schwer geschädigt.

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