Corona in Italien : Amnesty kritisiert Diskriminierung Ungeimpfter
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Demonstration gegen die Corona-Maßnahmen am Samstag in Mailand Bild: dpa
Die Menschenrechtsorganisation wendet sich gegen die strengen Corona-Maßnahmen in Italien. Auch Ungeimpfte müssten das Recht haben, am Arbeits- und Sozialleben teilzuhaben.
Die Regierung in Rom gerät wegen ihrer Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie immer mehr unter Druck. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International forderte die von Ministerpräsident Mario Draghi geführte Koalition, die unverhältnismäßige Diskriminierung von Ungeimpften zu beenden. Die Regierung hatte zum Jahreswechsel eine allgemeine Impfpflicht für alle Personen über 50 Jahre eingeführt und zudem einen faktischen Lockdown für alle Ungeimpften verfügt. Nach Ansicht von Amnesty müssten auch Ungeimpfte „ohne Diskriminierung“ das Recht haben, am Arbeits- und sozialen Leben teilzuhaben, etwa durch alternative Maßnahmen wie das Maskentragen und Coronatests.
Nach geltendem Recht können Ungeimpfte bis zum 15. Juni keinerlei öffentliche Verkehrsmittel mehr benutzen, ungeimpfte Personen über 50 Jahre dürfen zudem ihren Arbeitsplatz nicht aufsuchen. Eine Impfpflicht und Einschränkungen müssten stets „verhältnismäßig“ bleiben, heißt es in einer Erklärung von Amnesty. Die Menschenrechtsorganisation fordert die Regierung auf, „zu gewährleisten, dass die gesamte Bevölkerung ihre Grundrechte wahrnehmen kann“, etwa das Recht auf Ausbildung und Arbeit. Seit dem Jahreswechsel können ungeimpfte Personen, die auf öffentliche Verkehrsmittel angewiesen sind, ihre Arbeits- oder Bildungsstätten nicht mehr erreichen.
Demonstrationen haben wieder Zulauf
Unterdessen scheint die Zahl der Demonstranten wieder zuzunehmen, die jeden Samstagnachmittag in Dutzenden Städten gegen die abermalige Verschärfung der Maßnahmen protestieren. Am Samstag beteiligten sich nach Angaben der Nachrichtenagentur Adnkronos etwa 5000 Personen an einer Protestkundgebung in Rom in der Nähe des Kolosseums. Einige Demonstranten versuchten, einen Demonstrationszug zu starten, wurden aber von der Bereitschaftspolizei daran gehindert. Um die Lage zu entspannen, forderten die Organisationen die Teilnehmer des Protests stattdessen zu einem Sitzstreik auf. In Mailand sprach bei der Kundgebung der 89 Jahre alte französische Medizin-Nobelpreisträger und Impfskeptiker Luc Montagnier. Vor der jubelnden Menge sagte Montagnier, die Corona-Impfung schütze nicht vor einer Infektion mit dem Coronavirus und begünstige außerdem die Ansteckung mit anderen Viren. Proteste gab es auch in Padua, Neapel und Turin.
Der bekannte Mikrobiologe Andrea Crisanti aus Padua warnte die Regierung in Rom vor geplanten Massenimpfungen mit einer vierten oder gar fünften Dosis mit dem Corona-Impfstoff. Dies würde erstens das Gesundheitswesen überfordern und zweitens die Gefahr einer dauerhaften Beeinflussung des komplexen Immunsystems der geimpften Personen mit sich bringen. Er vertritt die Meinung, die Impfstoffe hätten die Erwartungen nicht erfüllt.
Derweil wird aus immer mehr Regionen die Forderung nach einer Anpassung der Corona-Ampel laut, weil angesichts der hochinfektiösen Omikron-Variante mehreren Regionen die Einstufung als „orange Zone“ mit zusätzlichen Einschränkungen droht. Zuletzt wurde nach Angaben der Behörden bei 81 Prozent der bestätigten Neuinfektionen die Omikron-Variante als Auslöser identifiziert. Ein von Virologen und Vertretern der Regionen gefordertes Abrücken von der täglichen Veröffentlichung der Zahl von bestätigten Neuinfizierten, von denen immer mehr asymptomatisch sind, hat der wissenschaftlich-technische Beirat der Regierung abgelehnt. Im Kabinett gibt es Spannungen zwischen Gesundheitsminister Roberto Speranza von einer linken Kleinpartei, der gemeinsam mit Ministerpräsident Draghi Lockerungen bisher ablehnt, und Wirtschaftsminister Giancarlo Giorgetti von der rechtsnationalen Lega. Dieser fordert weniger Einschränkungen, weil sonst die wirtschaftliche Erholung gefährdet würde.