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Trotz neuer Infektionswelle : Belgien verabschiedet sich von der Maskenpflicht

Ein Schild im belgischen Mechelen weist auf die Maskenpflicht hin. Bild: dpa

Belgien gehört zur Spitzengruppe der Länder mit den meisten Neuinfektionen in Europa. Trotzdem lockert das Land die Schutzmaßnahmen. Warum?

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          Auf der Karte der EU-Infektionsschutzbehörde ist Belgien ein einziger dunkelroter Fleck. Die Zahl der gemeldeten Corona-Infektionen lag in den vergangenen zwei Wochen bei 139 Fällen auf 100.000 Einwohner. In der Europäischen Union gehört das Land damit zur Spitzengruppe; nur Spanien, die Tschechische Republik, Frankreich, Luxemburg und Malta verzeichnen noch höhere Werte. Doch während in vielen Ländern die Schutzmaßnahmen wieder hochgefahren werden, geht Belgien mit seinen 11,5 Millionen Einwohnern einen ungewöhnlichen Weg: Es lockert die Beschränkungen wieder. „Unser Land bewegt sich vom Krisen- zum Risikomanagement“, sagte die amtierende Ministerpräsidentin Sophie Wilmès nach einer Sitzung des nationalen Sicherheitsrats. „Wir lernen, mit dem Risiko des Coronavirus in unserer Gesellschaft zu leben.“ Viele Belgier nahmen das erleichtert auf, doch warnten Fachleute, die Regierung sende das falsche Signal.

          Thomas Gutschker
          Politischer Korrespondent für die Europäische Union, die Nato und die Benelux-Länder mit Sitz in Brüssel.

          Früher als die Nachbarländer hatte Belgien im Sommer neue Auflagen erlassen, um das Virus aufzuhalten. Im Juli waren die Zahlen in Antwerpen regelrecht explodiert, dort wurde eine nächtliche Ausgangssperre verhängt. Restaurants und Kneipen mussten um 23 Uhr schließen.

          Anfang August war dann Brüssel dran. Die Hauptstadtregion verhängte eine generelle Pflicht, überall im öffentlichen Raum Schutzmasken zu tragen – sogar beim Fahrradfahren. Während sich in Antwerpen die Infektionen rasch verminderten, wurde in Brüssel nur der Anstieg gebremst. Cafés und Restaurants waren voll, Abstand wurde kaum gehalten. Inzwischen sind alle Stadtteile dunkelrot gefärbt. Trotzdem wird die Maskenpflicht zum 1. Oktober wieder aufgehoben. Die Bürgermeister sollen sie dann nur noch in eng bevölkerten Zonen durchsetzen. So hatte es Ende Juli schon begonnen. Damals wurde die Lage derart unübersichtlich – die Hauptstadtregion besteht aus 19 selbständigen Gemeinden –, dass niemand mehr wusste, wo eine Maske zu tragen war und wo nicht. Das könnte sich nun wiederholen.

          Gelockerte Kontaktbeschränkungen

          Befreit werden die Belgier von der ungeliebten „Blase“, in der sie sich bisher bewegen sollten: Ein Haushalt durfte nur mit fünf Personen pro Monat engen Kontakt haben. Die neue Regel lautet: Jede Person darf fünf enge Kontakte haben, also zwanzig bei einer vierköpfigen Familie. Gelockert werden auch die Auflagen für Hochzeiten. Künftig dürfen unbeschränkt viele Gäste geladen werden, solange sie an Zehnertischen sitzen, die anderthalb Meter voneinander entfernt stehen. So wird es auch in Restaurants und Cafés gehandhabt. Gelockert werden zudem die Quarantäneauflagen. Bisher waren zwei Wochen Pflicht, wenn jemand Kontakt mit einer positiv getesteten Person hatte. Künftig reicht eine Woche – vorausgesetzt, an deren Ende liegt ein negatives Testergebnis vor. Einer der ersten Profiteure dürfte EU-Ratspräsident Charles Michel sein, der sich am Dienstag in Quarantäne begab und kommende Woche den deshalb verschobenen Europäischen Rat nachholen will.

          „Besser eine leichtere Maßnahme, die beachtet wird, als eine drastische, die niemand befolgt“, sagte Wilmès, um die Lockerungen zu begründen. Der angesehene Virologe Marc Van Ranst widersprach prompt. „Der nationale Sicherheitsrat wollte eine Entspannung, aber wir sind von der Realität überholt worden“, sagte er im flämischen Fernsehen. In einigen Wochen rechne er mit „großen Problemen“. Der Epidemiologe Marius Gilbert zog sich aus dem Expertenrat der Regierung zurück – angeblich nur aus beruflichen Gründen. Doch verabschiedete auch er sich mit der Warnung, es dürfe jetzt nicht der Eindruck entstehen, es gebe keine Beschränkungen mehr.

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