Chinas Jugend strebt nicht gen Westen
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Die junge Künstlerin Huang Haocheng, die in der alten Porzellanfigurenfabrik ein Atelier betreibt: Chinesinnen wie sie entdecken die alten Traditionen wieder für sich. Bild: Friederike Böge
Alte Traditionen sind für junge Chinesen wieder attraktiv, sie suchen ihre eigene Welt jenseits westlicher Statussymbole. Unsere Autorin Friederike Böge hat 2019 die Porzellanstadt Jingdezhen besucht, die einen ungeahnten Aufschwung erlebt.
Noch vor zehn Jahren war Jingdezhen eine Stadt im Niedergang. Die Jugend zog weg. Die staatlichen Porzellanfabriken lagen in Trümmern. Und die traditionelle Handwerkskunst, die der Stadt tausend Jahre lang Ruhm und Ehre eingebracht hatte und über die schon Kurfürst August der Starke ins Schwärmen geraten war, sie war kaum noch gefragt. Doch in diesen Tagen erlebt die Welthauptstadt des Porzellans eine neue Blütezeit. Das hat damit zu tun, dass Chinas Mittelschicht ihre kulturellen Wurzeln wiederentdeckt. Unterstützt von derselben Partei, die diese Kultur einst erbittert bekämpft hat.
„Als die Chinesen reich wurden, haben sie als Erstes Statussymbole aus dem Westen gekauft“, sagt der Keramik-Künstler und Universitätsprofessor Huang Chunmao. „Zwanzig Jahre später haben wir erkannt, dass Chanel-Taschen uns nicht glücklich machen. Wir fühlen uns leer, wissen nicht, wer wir sind. Also haben wir angefangen, in die Vergangenheit zu blicken.“ Seither erlebt die chinesische Teekultur, und mit ihr das Porzellan, eine Renaissance. Gutsituierte junge Leute, die es noch vor zehn Jahren schicker fanden, bei Starbucks ihren Kaffee zu schlürfen, zahlen jetzt viel Geld für Tee als Lifestyle-Produkt. Sie besuchen Kurse, um zu lernen, woran man guten Tee erkennt und wie man eine Teezeremonie abhält. Auch Töpferkurse liegen im Trend. Sie sind Meditation für gestresste Großstädter.
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