Empfang in Tianjin : China wertet die Taliban auf
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Ehrenvoller Empfang: Der stellvertretende Taliban-Führer Baradar und Chinas Außenminister Wang Yi am Mittwoch in Tianjin Bild: dpa
Mit ganz großem Bahnhof hat der chinesische Außenminister einen stellvertretenden Taliban-Führer empfangen. Peking signalisiert damit, dass es in Afghanistan eine größere Rolle spielen will.
Die Amerikaner hatten tagelang hart verhandeln müssen, um Wang Yi zu einem Treffen mit der stellvertretenden amerikanischen Außenministerin zu bewegen. Den afghanischen Taliban hingegen gewährte der chinesische Außenminister am Mittwoch den ganz großen Bahnhof. Zur Begrüßung des stellvertretenden Taliban-Führers Abdul Ghani Baradar führte Wang Yi respektvoll seine rechte Hand an die linke Brust, wie es in Afghanistan üblich ist. Baradar nahm dann in demselben Sessel in einem Hotel in der Stadt Tianjin Platz, in dem am Montag die stellvertretende amerikanische Außenministerin Wendy Sherman gesessen hatte. Solche Protokollfragen spielen in China eine sehr große Rolle. Ein Zufall war das sicher nicht. Die nach diplomatischer Anerkennung strebenden Extremisten wurden von Peking unmissverständlich aufgewertet. Die Frage ist, was China als Gegenleistung verlangte.
Es ist nicht das erste Mal, dass Baradar China besucht. Doch bei früheren Anlässen, wie im September 2019, erhielt er keine Bühne. Das Treffen wurde erst hinterher bestätigt. Wer Baradar seinerzeit empfangen hatte, wurde ebenso verschwiegen wie Ort und Datum. Am Mittwoch dagegen waren sogar die Staatsmedien geladen, um Foto- und Videoaufnahmen von der Begegnung zu machen. Damit signalisierte Peking, dass es nach dem Abzug der amerikanischen Truppen aus Afghanistan eine größere Rolle in dem Nachbarland zu spielen gedenkt.
Wang Yi ließ keinen Zweifel daran, dass China die Taliban im künftigen Afghanistan in einer zentralen Position sieht. „Die Taliban sind in Afghanistan eine entscheidende militärische und politische Kraft und werden im Friedens-, Versöhnungs- und Wiederaufbauprozess eine wichtige Rolle spielen“, sagte er. Pekings größte Sorge ist, dass uigurische Extremisten mit Billigung der Taliban Anschläge in Afghanistan oder gegen chinesische Ziele in der Region verüben könnten. Die Zahl der uigurischen Kämpfer, die bisher an der Seite der Taliban stehen, wird auf einige hundert geschätzt. Vor diesem Hintergrund rief der Außenminister die Taliban auf, „Verbindungen zu Terrorgruppen wie der Ostturkistan-Islamischen Bewegung (ETIM) zu kappen“ und „effektiv gegen solche Gruppen vorzugehen“. Der UN-Sicherheitsrat stuft die ETIM als Terrororganisation ein. Ihre Stärke und Existenz sind aber umstritten.
Ein Sprecher der Taliban teilte auf Twitter mit, die „Delegation versicherte China, dass sie niemandem erlauben werden, afghanischen Boden gegen China zu nutzen“. Das Wort ETIM vermied er aber. Betont staatsmännisch sagte er, man habe über Politik, Wirtschaft und die Sicherheit beider Länder gesprochen. Im Falle einer Machtergreifung der Taliban wäre China wohl der wichtigste potentielle Geldgeber für Infrastrukturprojekte. Im Gegensatz zu westlichen Gebern würde Peking finanzielle Unterstützung wohl nicht von ideologischen Zugeständnissen wie Frauenrechten abhängig machen.
Auch in anderen Hauptstädten, wie Moskau und Teheran, wurden Taliban-Vertreter in den vergangenen Wochen empfangen. Ein Vier-Augen-Gespräch mit dem Außenminister wurde dort, zumindest offiziell, nicht gewährt.